Antarktis 2020
Königszimmer stand ein Fernsehapparat. Thomas sah genauer hinüber. Ein Kabel verschwand in einer Palme. Zwischen den Wedeln standen die starren Stäbe einer Antenne. Der König hielt seine Untertanen in voller Absicht unwissend. Er selber aber wußte… Nun, wenn sie auch wissen, wird er kein König mehr sein… Eine primitive, aber zwingende Logik.
Thomas sah zu Jack Beerson hinüber. Du hast es gleich begriffen, Jack, dachte er. Und er empfand plötzlich, wie sympathisch ihm dieser Mann in seinem Handeln wurde. Er ging auf Beerson zu. »Jetzt hab ich dich verstanden, Jack«, sagte er. »Du kannst auf mich zählen!«
Beerson grinste verschmitzt. »Lauf zu, mein Pferdchen«, rief er und tätschelte den Projektor. Thomas lachte. Es wurde ihm klar, weshalb Beerson seine Kiste als »trojanischen Gaul« bezeichnet hatte.
Während der Vorführung sah Thomas immer öfter zu Abdel Kadam Maklih. Er schien unruhig, mit dem Verlauf der Dinge nicht zufrieden.
Pjotr bat über Mulud, Aïfe und einen zweiten Dorfbewohner in der Bedienung des Projektors unterweisen zu dürfen.
Maklih wählte einen jungen Mann aus, vermutlich einen jungen Mann, denn auch er trug den Schleier, und winkte Aïfe heran.
Pjotr hielt René zurück. Am liebsten wäre dieser vom Projektor nicht gewichen. Thomas verstand Pjotr. Er sprach einige Worte mit René. Der begriff und gehorchte widerwillig der Vernunft; er durfte die Dorfbewohner nicht gegen sie aufbringen, indem er womöglich gegen irgendwelche Regeln verstieß.
Thomas war sich so gut wie sicher, daß viele der Leute an diesem Tage zum erstenmal in ihrem Leben einen Film sahen, von der farbigen Stereoprojektion ganz zu schweigen. Er sah es ihren Gesichtern an.
Es waren eigentlich nur Dokumentarfilme, die sie mitgebracht hatten. Filme vom Bau des Kanals, aber sie zeigten in der Hauptsache das, was der Kanal an Wohlstand, an Besserem brachte. Es waren Aufnahmen dabei von ein und derselben Stelle vor und nach dem Kanalbau. Und das begriffen auch die Menschen, die noch nie einen Film gesehen hatten. Wesentlich war auch, daß der Kommentar in der Sprache der Tuareg gesprochen wurde.
Ein Teufelskerl, der Pjotr, dachte Thomas. Wo hat er nur von gestern auf heute diese Filme aufgetrieben!
Die Menschen gingen mit. Unruhe breitete sich in den Reihen aus, Rufe der Bewunderung, lebhafte Diskussion über das Gesehene, über das, was sie erkannt hatten.
Als sie drei Filme gezeigt hatten, tuschelte Pjotr mit Mulud. Offenbar mußte er ihn zu etwas überreden. Dann sprach Pjotr zu den Anwesenden; Mulud übersetzte. Sie standen mittlerweile dicht an dicht. Thomas schätzte, daß über die Hälfte der Einwohner von Achourat auf dem Dorf platz zusammengekommen war.
Pjotr sagte: »Freunde, Einwohner von Achourat. Euer Leben ist schwer. Ein Freund von René Tours hat euch den Apparat gebracht, den zwei von euch bedienen werden, damit ihr euch nach eurer harten Arbeit erfreuen könnt, erfreuen könnt auch am schönen Leben eurer Brüder im Süden, die längs des Kanals wohnen. Wir lassen euch noch viele Filme hier. Seht sie euch aufmerksam an. Bittet Allah…« An dieser Stelle stockte Mulud mit dem Übersetzen. Ging Pjotr nicht zu weit, er, der Kommunist, ließ Allah anrufen? Aber dann sprach Mulud weiter: »… daß er euch und eurem König den rechten Weg weist, weg von schwerer Arbeit, von kärglichen Ernten…«
War das noch legitim, was Pjotr machte? Jack Beerson strahlte.
Thomas ging zum Projektor. Dort sammelte sich die Gruppe. René war nicht mehr zu halten. Er stand mit Aïfe an dem Apparat, tat, als zeige er ihr die notwendigsten Handgriffe. Thomas war sicher, hätte nicht der junge Tuareg den Projektor souverän bedient, es hätte binnen kurzem Filmsalat gegeben. Weder René noch Aïfe waren bei der Sache.
Jetzt hatte Thomas Muße, sie zu betrachten. Sie war schön, zweifellos, aber nicht nur das war an ihr das Anziehende. Ihr Gesicht strahlte Sanftheit aus und Klugheit, sie hatte einen offenen Blick und schien schalkhaft lächeln zu können. Thomas war von der kontrastierenden Ausdruckskraft ihres Gesichts gefangen.
Der letzte Streifen sprang rasselnd in die Kassette. Plötzlich stand Aïfes Vater am Projektor. Es gab einen kleinen Disput zwischen ihm und dem Tuareg, der den Projektor bediente. Dann ergriff er erneut Aïfes Hand, nahm das Mädchen einfach mit, wortlos, und verschwand mit ihr in der Menge.
Wieder schien es, als wolle René hinterher. Diesmal hielt ihn Thomas mit sanfter
Weitere Kostenlose Bücher