Antarktis 2020
ohnehin verhaltener, klang nur gedämpft herauf. Der leichte Wind brachte noch keine Kühlung, den beiden rann der Schweiß über den Körper.
»René hat ab morgen drei Tage Urlaub beantragt, aber kein Fahrzeug angefordert«, sagte Thomas. Beerson schwieg. Dann erwiderte er: »Fahrzeuge kommen jetzt doch ständig. Zur Not könnte er mit einem Faultier fliegen. Ein paar Tage Ruhe täten auch dir gut.«
»Und dir?«
»Wir haben in den letzten Wochen nur leichte Hilfsdienste verrichtet. Bin neugierig, wann uns die Leitung wieder weiter vorn einsetzt.«
»Die nächste Hauptbohrung ist drei Kilometer vor Achourat notwendig.« »Ich weiß.«
»Ich habe René den Urlaub gegeben.«
»Wie hättest du ihn auch ablehnen sollen?« Thomas zögerte: »Ich habe ein ungutes Gefühl«, sagte er dann.
»Ach weißt du, er hat doch nichts auszustehen, ist vernünftig, hat Freunde. Gleichgesinnte. Wenn sie sich lieben, bekommen sie sich auch. Das wäre ja gelacht!«
Jack Beerson setzte sich mit einem Ruck in den weichen Sand. Ein kleiner Hügel kam ins Rutschen, glitt den Hang hinab wie eine kleine Lawine.
»Mir wird aber ganz anders, wenn ich an Mary denke. Verdammt blöd wird mir da.«
»Konntest du sie nicht mitbringen?« »Verträgt das Klima nicht.«
»Aber du konntest doch irgendwo anders eingesetzt werden…«
»Ja, aber hier wurde ich am nötigsten gebraucht.« Und plötzlich fuhr er aufgebracht fort: »Wenn bloß diese Regierung, diese Scheißer, nicht so lahm wäre. Warum machen es unsere nicht so wie die Franzosen? Einfach hinschmeißen, diese ganze Paktiererei, diese falschen Rücksichten, und das einzig Vernünftige machen, die Union mit euch. Paß auf, wie die Franzosen jetzt vorprellen werden!«
»Ihr wart schon immer ein wenig hinterher, beruhige dich, es wird auch bei euch. Vergiß nicht, daß Frankreich schon bald fünfzig Jahre eine der stärksten kommunistischen Parteien hat. Die nächsten sind die Italiener, wirst sehen. Eure Labourleute mausern sich doch schon ganz ordentlich.«
»Weil sie nicht anders können«, brummte Beerson grimmig. »Schließlich heizen wir ihnen ein wenig den Hintern.« Er spuckte in den Sand. »Aber im Augenblick haben wir die schlimmsten Verhältnisse. Das halbe Land macht Kurzarbeit, von den Arbeitslosen ganz zu schweigen. Ich muß noch froh sein, daß Mary nicht zu ihnen gehört.«
»Muß sie überhaupt arbeiten? Du bist doch kein Soldat hier, verdienst ganz ordentlich, ihr bekommt doch noch Geld.«
»Soll ihr die Wohnung auf den Kopf fallen?« »Und heiraten?« fragte Thomas.
»Sie ist leider nicht die Allerschönste…«
»Das ist doch Unsinn!« Thomas schippte mit dem Fuß Sand den Hang hinunter. »Du solltest sie wirklich im Kombinat unterzubringen versuchen. Alles übrige macht die Zeit!«
»Das siehst du an denen da drüben«, sagte Jack Beerson bitter. »Die sind fünfzig Jahre hinter der Zeit zurück.«
»Auch für die wird sich das ändern. Komm!«
Sie stiegen den Hang hinunter. Thomas legte dem grauhaarigen Beerson die Hand auf die Schulter…
Am anderen Morgen, gleich nach Dienstbeginn, geschah der Unfall. Ein Panzer war ins Gleiten geraten, einen Sandhang hinunter, war an einer Felsnadel hängengeblieben und hatte sich überschlagen. Wäre der Fahrer drin geblieben, hätte ihm kaum etwas passieren können. Aber er war in dem Augenblick abgesprungen, als sich der Koloß überschlug. So war er unter dem Fahrzeug begraben worden. Der Mann wurde zwar in den nachgiebigen, wegfließenden Sand gedrückt, aber Stahl ist Stahl. Schwer verletzt konnte er geborgen werden. Er wurde sofort zum Camp ausgeflogen.
René war nicht mehr zum Dienst gekommen, er hatte Urlaub, so daß Thomas mit Unterstützung der Bohrmannschaft die für die Untersuchung des Unfalls notwendigen Aufnahmen an Ort und Stelle allein durchführen und auswerten mußte. Das dauerte bis zum Nachmittag. Danach kümmerte er sich um den Verbleib Renés. Gewiß, René hatte Urlaub. Aber Thomas fühlte eine Unruhe in sich, die aus der Vorstellung kam, René könne etwas Unbedachtes, etwas, das ihm selbst schadete, tun. Er war jedenfalls verschwunden, hatte weder ein Fahrzeug angefordert, noch konnte sich jemand erinnern, daß er in eines der Fahrzeuge gestiegen war. Das wollte zwar nichts besagen, verstärkte aber Thomas’ ungutes Gefühl, und er überlegte, ob er den Wachdienst benachrichtigen sollte oder nicht. Er entschloß sich, damit noch zu warten, schließlich kannte sich René in dieser Gegend
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