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Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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gingen durch einige matt erleuchtete Korridore bis in ein Treppenhaus.
    Thomas erinnerte sich, es auf einem seiner ersten Rundgänge bemerkt zu haben. Weit und breit war niemand zu sehen, der ihnen etwa den Zutritt verwehrt hätte. Sie stiegen neben dem Fahrstuhlschacht die Treppe hoch. Thomas ging neben Nina und legte ihr den Arm um die Schultern. Sie tat, als bemerke sie es nicht, erzählte etwas von Mitternachtssonne und herrlicher Aussicht, so daß er – neben dem Aufregenden, mit ihr allein zu sein – Neugierde empfand. Oben war eine Tür, an der lediglich stand: »Während Messungen nicht stören«. Nina schob sie auf und machte eine so einladende Verbeugung, daß sie fast das Gleichgewicht verloren hätte.
    Sie hat einen Schwips, dachte Thomas und trat ein. Es war ein etwa zwanzig Meter breiter Kuppelbau mit schlierenfreien Klarsichtscheiben, die durch stabile Metallrahmen gehalten wurden. Die Aussicht von hier mußte in der Tat großartig sein, wenn draußen die Witterung danach war. Jetzt war sie es nicht. Ein gleichmäßig helles Grau war zu sehen, bei längerem Hinsehen aufgelöst in Myriaden schnell huschender, orkangetriebener Flocken und Eisstückchen, die gegen die Kuppel schlugen, so daß es regelrecht knatterte.
    Nina sagte »Oh« und schmiegte sich an Thomas. Sie machten einen Rundgang. Einmal, als die vorbeitreibenden Schwaden aufrissen, war ein Stück strahlendblauer Himmel zu sehen mit zartrosa und gelben Streifen.
    Thomas nahm sich vor, bei besserem Wetter wieder hierher zu kommen. Damit war ihm der Turm für heute gleichgültig. Als er Nina küßte, kam er sich sehr mutig vor, stellte aber nach wenigen Sekunden fest, daß sie so überrascht nicht sein konnte.
    Hm, dachte er, das braucht kein so schlechtes Praktikum zu werden.
    Evelyn zupfte an seinem Gewissen. Schuft, dachte er und meinte sich. Dann küßte er Nina wieder.
    Sie sagte dann: »Komm tanzen« und zog ihn nach unten ins Kunstlicht.
    Pjotr war eher gegangen. Als Thomas in ihr Zimmer kam, schlief er schon. In dem schwachen Schein der Wandleuchte lugte aus dem zugezogenen Vorhang seiner Nische ein sehr großer Zeh heraus.
    Thomas war vergnügt und müde und konnte trotzdem nicht gleich einschlafen.
    Evelyn war wieder in seinen Gedanken. Sie sagte nichts. Aber er haderte mit sich und ihr, versuchte sich zu rechtfertigen, den stummen Vorwurf, der auf ihrem Gesicht stand, wegzuwischen. Schließlich brachte er sie so weit, daß sie einsah, selbst schuld zu sein. Hätte sie doch, wenn sie ihm schon etwas Kräftiges zu sagen hatte, etwas taktvoller sein können. Nein, sie war verletzend, anders, als er sich eine liebende Frau vorstellte. Also mußte sie begreifen, daß sie ihn direkt zu Nina getrieben hatte.
    Thomas rollte sich zur Seite und schlief.
    Der nächste Tag sah ihn mit leichtem Brummschädel, aber immer noch vergnügt im Büro. Nina hatte ihn auch fröhlich begrüßt.
    Thomas ertappte sich zwar einmal dabei, daß er dem Computer falsche Zahlen eingab, aber schließlich stimmte gegen Mittag die Kontrollrechnung.
    Er tippte auf der Tastatur des Automaten ein reichhaltiges, aber kalorienarmes Mittagessen ein und erwartete Deland. Während des Essens unterhielt ihn der Student. Thomas blieb dabei einsilbig.
    Deland kam fünfzehn Minuten zu spät. Thomas gab sich alle Mühe, mit gerunzelter Stirn zur Wanduhr zu schauen.
    So verpaßten sie die Seilfahrt und durften die vier Kilometer wieder zu Fuß zurücklegen.
    Unterwegs trafen sie Pjotr mit dessen Mannschaft, die ausfuhren.
    Im Stollen herrschte das bekannte Getöse. Die Störung war beseitigt, es rollte wieder.
    Vom letzten Festpunkt aus gab Thomas die neue Richtung an, die von der alten um einige Grad abwich – der Anfang der Kurve. Sie hängten einen Fluchtungslaser auf, der einen handgroßen, dunkelrot flirrenden Fleck auf das Eis der Ortsbrust warf. Thomas richtete den Kursweiser der Maschine ein und sprach mit dem Schichtleiter. Er wies ihn an, in der laufenden Schicht so zu fahren, daß der Lichtfleck in die Mitte der Ortsbrust rücke. Die Anzeige des Kursweisers müsse der Null zustreben.
    Der Schichtleiter wußte Bescheid, nickte freundlich, und sie fuhren aus; wieder zu Fuß, weil der Mannschaftswagen mit einem Materialtransport unterwegs war. Dieser Umstand und wahrscheinlich auch der versäumte Schlaf begannen Thomas grantig zu stimmen, schien es ihm doch nicht der Wichtigkeit seiner Aufgabe zu entsprechen, daß er jedesmal die beträchtliche und, da sie jetzt bergauf

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