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Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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immer noch die Hände in den Taschen, stierte erst auf seine Schuhspitzen und sah dann dem unbekümmerten Treiben dreier Spatzen zu, die, der vielen Vorbeieilenden kaum achtend, vom Plastebelag des Weges die Krümel einer Eiswaffel aufpickten, die ihnen zwei halbwüchsige Mädchen zuwarfen.
    Thomas spürte die Wärme der Herbstsonne. Er legte seinen Kopf in den Nacken, sah seitlich, hoch oben, die silberne Kugel des Fernsehturms, deren Reflexkreuz ihn blendete, und er dachte daran, daß ihn bald, falls er Glück hatte und das Wetter danach war, Eis blenden könnte, das Eis der Antarktis. Tief verärgert murmelte er selbstvergessen, aber so laut, daß sich zwei schreiend bunt angezogene ältliche Ausländerinnen erstaunt nach ihm umdrehten: »Scheiße!«
    Später schlenderte er zum Hotel, das ihn ebenfalls plötzlich mit seiner neuen, glitzernden Glasfassade aufdringlich an Eis erinnerte. Er bekam in dieser frühen Abendstunde im Restaurant einen Platz, tippte sich Bons für ein sehr reichhaltiges Mahl, aß übermäßig und trank mehrere Gläser Bier. Allmählich stellte sich mit dem Gefühl, gegen Mattaus Entscheidung nichts ausrichten zu können, eine gewisse Gleichgültigkeit ein, aber auch die Gewißheit, die ihm eigentlich immer eigen war, daß er es auch unter diesen Bedingungen irgendwie schaffen werde. Er hatte bisher mit einem Minimum an Aufwand alles geschafft, was er sich vorgenommen hatte. So würde auch dieses Praktikum zu überstehen sein.
    Und Evelyn? Evelyn wird es schon einsehen. Jetzt hieß es, aus den verbleibenden wenigen Tagen soviel wie möglich zu machen, bevor es ab in die Wüste ging.
    Thomas beschloß, ohne Verzug damit zu beginnen. Er ging zum Büfett, weil der Tischwähler den Code für Kognak nicht auswies, und bestellte sich hundert Gramm des gehaltvollen Getränks zur nicht geringen Verwunderung der anderen Gäste am Tisch, zweier blauhaariger, auf die moderne Zwillingsmasche getrimmter junger Damen und eines blassen, neben ihnen völlig unscheinbar wirkenden jungen Mannes. Thomas trank genießerisch in kleinen Schlucken. Danach fuhr er nach oben, ging in sein Zimmer, bestellte beim Zimmerservice einen Gesellschaftsanzug und stellte fest, daß er ihm vorzüglich paßte. Zunächst aber ließ er sich von den Frottierbürsten im Bad ordentlich durchwalken und erfrischen, ehe er sich sorgfältig anzog und die Bar aufsuchte.

II
    Im Grunde genommen war es wieder mal meine verflixte, gelinde gesagt, Schwäche, nicht nein sagen zu können, ärgerte sich Thomas. Er saß im Flugzeug und hatte Zeit, erneut seine Lage zu bedenken.
    Er hat mich ganz schön abfahren lassen, der Kollege Staatssekretär Mattau, seines Zeichens Direktor für Technik.
    Thomas gestand sich ein, daß er den Schlag mit dem Praktikum noch nicht überwunden hatte. Im Gegenteil!
    Evelyns Reaktion, ihr Verständnis für die Ansichten Mattaus, hatte ihn derart geschockt, daß er mehr als einmal mit dem Gedanken gespielt hatte, seine Zusage zu widerrufen.
    Er hätte sich nie träumen lassen, daß Evelyn ihn so einschätzte. Sie urteilte härter als Mattau. Was jener zurückhaltend als charakterliche Festigung bezeichnete, präzisierte sie als notwendige Überwindung von »Arroganz«, »Überheblichkeit« und »Egoismus«. Und mit dieser Frau wollte ich mich ein Leben lang zusammentun! Tja, mein lieber Tom, da dachtest du: eine bequeme Stelle in der Berliner Kombinatsleitung, täglich ein paar Stunden arbeiten, Exkursionen, dazu eine Wohnung in wasserreicher Umgebung…
    Nun, wenn Mattau meine Nase nicht paßt, ist nichts zu machen. Zugegeben, sie ist ein wenig kartoffelig… Bei dem Gedanken lächelte Thomas unwillkürlich. Und dann sah er auf wie ertappt. Schließlich war es mit der Würde eines angehenden Wissenschaftlers in einer Mission wie der seinen unvereinbar, einfältig vor sich hinzulächeln.
    Alle Wetter, wirklich hübsch! Endlich ein Lichtblick. Der Anblick seines Gegenübers versöhnte ihn mit seinem Platz.
    Gleich nach dem Einsteigen hatte er sich geärgert, weil er über der Tragfläche sitzen mußte. Bei seinem Pech hatte er eigentlich einen mürrisch dreinschauenden Reisegefährten erwartet, um in dem Gefühl, alle Welt habe sich gegen ihn verschworen, richtig weiterschwelgen zu können.
    Er schaute scheinbar gleichgültig auf die Tragfläche, nahm, angeregt durch die blendenden Reflexe des blanken Metalls, seine dunkle Brille, pustete ein Stäubchen von den Gläsern, schob sie auf die Nase und blickte wieder

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