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Anthologie - Das Lustbett

Anthologie - Das Lustbett

Titel: Anthologie - Das Lustbett Kostenlos Bücher Online Lesen
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Dieses Kunststück ist nur Paderewski gelungen, aber das ist schon sehr lange her. Und jetzt diese Geschichte mit der Tochter d’Heilencourts. Hättest du dich nicht mit irgendeiner unbekannten Ballettratte von der Oper zufriedengeben können? Der Alte ist wirklich auf dem Kriegspfad, und beharrlich, wie er ist… Nun, ich werde versuchen, mit dem Direktor ein vernünftiges Wort zu reden, dann werden wir sehen, wie es weitergeht. Von Jarakoc beginnt um zehn mit den Proben. In zehn Minuten.«
    Die Audienz war offensichtlich beendet, und ich stand auf und ging zur Tür, drehte mich noch einmal um und betrachtete den alten Mann im Stuhl. Er saß vollkommen still, und die weiße Haarmähne leuchtete im Gegenlicht wie eine Gloriole.
    »Vielen Dank für alle Hilfe.«
    Er nickte mehrmals sehr langsam und hob einen Arm von der Armlehne zu einem angedeuteten Winken. Ich betrat den leeren Flur. Meine Schritte hallten wider, als ich langsam zu den Solistenzimmern hinterm Podium ging. Ich fühlte mich plötzlich sehr einsam.
VII
    »Wollen die Celli und die Bässe so freundlich sein, in den Takten eins bis zwanzig an ihre Sechzehnteltriolen zu denken! Sie begeben sich aufs Glatteis, meine Herren, Sie begeben sich aufs Glatteis, dabei hat die Frühlingssonne schon längst alles Eis geschmolzen! Jeder Ton muß deutlich zu hören sein, und das gilt besonders für die isolierten Zweiunddreißigstel in den Takten drei und achtzehn. Präzision, meine Herren, Präzision! Noch einmal!«
    Herrgott, der Kerl beschäftigt sich schon seit einer halben Stunde mit diesen zwanzig Takten. Na schön, die Synkopen sind ein bißchen knifflig, aber wenn er nur ordentlich den Takt angäbe, könnten die Jungs ihm schon folgen. Möchte gern wissen, wer diese neue kleine Geigerin ist… Sie guckt mich ziemlich oft an, muß ich sagen. Sie hat einen guten Strich; unter den anderen Streichern hört man sie gut heraus. Vielleicht Solistenmaterial… hübsche Beine… sie sieht aus, als käme sie aus Skandinavien… so ist’s richtig, meine Kleine, spreiz die Beine noch ein bißchen mehr, damit ich sehen kann, welche Farbe dein Höschen hat. Konzentriere du dich aufs Spiel, dann konzentriere ich mich aufs Gucken… Scheiße, Takt fünfundsiebzig, mein Einsatz in siebenundsiebzig… Jetzt: A-A-Cis, E-D-D… Verdammt noch mal, warum hat er abgeklopft?
    »Herr Nordberg, bitte, Sie haben den Einsatz zu sehr verzögert und die Viertelpause fast doppelt so lang gemacht…«
    »Stimmt genau. Das zögernde, romantische Thema kontrastiert dann um so wirkungsvoller gegenüber dem Agitato des Orchesters kurz vorher. Dampf mache ich erst kurz bevor die Triolen der linken Hand kommen, also etwa um Takt hundert.«
    »Sie haben eine lustige Art, sich auszudrücken… So, Sie sind also der Meinung, Mozart sei romantisch? Bemerkenswert.«
    »Nein, nicht völlig, aber in diesem Konzert ist er’s.«
    »Danke für die Aufklärung. Wie Sie wollen, es ist Ihre Beerdigung. Noch einmal von Takt siebzig, meine Herren!«
    Da hat er’s mir aber gegeben, aber er soll ja nicht glauben, daß ich mich geschlagen gebe. Es ist, wie gesagt, meine Beerdigung, und er kann von mir aus zehnmal von Jarakoc heißen.
    So, ja, der erste Satz ging ja wie geschmiert, nachdem er erst einmal mich hatte das Tempo bestimmen lassen. Jetzt wollen wir mal sehen, was passiert, wenn er mein Tempo in der Romanze hört… Was ist denn nun los… es passiert gar nichts, aber er sieht erstaunt aus, hat wohl nicht geglaubt, daß jemand es wagen würde, sie so langsam zu spielen… herrlicher Flügel, ich habe den besten bekommen… Gott, wie er singt, und Dank allen Heiligen für die Carreno-Methode… Eine Frau, die so eine Anschlagsmethode erfindet, muß auch im Bett gut sein; die würde ich gern mal pimpern, aber dann wäre es schon Nekrophilie, denn sie ist schon lange tot, und Leichenschändung ist nicht unbedingt mein Fall… Sieh mal an, der Arier da oben auf dem Dirigentenpult schaut ja aus, als genösse er die Musik ein bißchen, ein wenig musikalisch ist er also… nein, jetzt gehe ich zu weit, er ist ein verdammt guter Musiker, aber wenn er doch aufhören wollte, sich wie ein preußischer Offizier aufzuführen…
    »Danke, meine Herren – meine Dame –, wir machen eine Pause von einer halben Stunde.«
    Nun, die können wir sicher gebrauchen. Wohin ist die kleine Blonde nur verschwunden? Ah, da ist sie ja schon, auf dem Weg nach draußen. Wenn ich die Abkürzung durch die Zweiten Geigen nehme,

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