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Anthologie - Das Lustbett

Anthologie - Das Lustbett

Titel: Anthologie - Das Lustbett Kostenlos Bücher Online Lesen
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sollte ich noch vor ihr auf der Treppe sein und sie dort erwischen können…
    Auf dem Weg nach oben hielt ich mich dicht hinter ihr. Sie war größer, als ich geglaubt hatte, und duftete schwach nach irgendeinem Parfüm. Der Körper war ein bißchen kantig, fast jungenhaft eckig, aber der Gang war elastisch und weiblich. Ihre Haltung war gut, nicht so krumm wie bei vielen Geigern, die ja viel sitzen müssen. Plötzlich stolperte sie, flog hin und fluchte. Auf dänisch.
    »Aber, aber, so etwas sagt man doch nicht«, sagte ich auf schwedisch.
    Sie sah mich erstaunt aus ihrer hockenden Stellung an. Dann lächelte sie.
    »Bist du Schwede? Ich dachte, du wärst Deutscher.«
    »Kann gar nicht schwedischer sein.«
    »Es hat wohl an von Jarakocs Aussprache deines Namens gelegen… und außerdem bist du ja blond und siehst arisch aus…«
    »Gebrauch dieses Wort nicht noch einmal. Ich bin dagegen allergisch, denn es läßt mich an deutsche Dirigenten und Marschmusik und Wagner denken, und darauf bin ich nicht sonderlich scharf.«
    »Ich auch nicht. Aber man sagt ja, wer Wagner mag, beweise damit, daß er nicht musikalisch ist, und demnach müßten wir beide ja unerhört musikalisch sein.«
    Der dänische Humor läßt sich nicht verleugnen. Wir waren inzwischen oben angekommen und standen jetzt vor der Tür zu den Orgelpfeifen über dem Podium.
    »Wie heißt du?«
    »Mette Bruunsgaard.«
    »Sehr lange kannst du noch nicht hier sein, denn sonst hätten wir uns schon irgendwo getroffen.«
    »Dies ist meine erste Probe hier – und mein erster Job, seit ich bei Max Rostal in London aufgehört habe.«
    Max Rostal… dann mußte sie wirklich gut sein.
    »Ich mag dein Tempo im zweiten Satz. Es gibt nicht viele, die es wagen, ihn so langsam zu spielen. Schnabel vielleicht…«
    Sieh mal einer an, schon hat man eine kleine Bewunderin. Das fing ja gut an. Sie sah sich etwas verloren um und fragte:
    »Wo sind wir eigentlich? Ich wurde durch den Haupteinganghereingeführt und kenne die Örtlichkeiten hier noch nicht so genau.«
    »Dann darf ich vielleicht den Bärenführer spielen? Wir können mit dem anfangen, was am nächsten liegt, nämlich mit den Orgelpfeifen im Zimmer gleich hinter dir. Da ist es schön ruhig, wie es sich für eine Pause gehört.«
    Sie blinzelte, lächelte, und es war ihr anzusehen, daß sie dachte: »Du bist mir aber ein ganz Schneller.« Sie ging aber brav zur Seite und ließ mich die Tür öffnen. Wir betraten den halbdunklen Raum, und sie legte die Geige auf ein Regal.
    Es roch nach Staub und jahrhundertealtem Holz. Das spärliche Licht spiegelte sich in den Aluminiumverkleidungen der Orgelpfeifen.
    »Hier, ganz unten sitzen die Zweifußpfeifen der verschiedenen Stimmen, die kleinsten von allen. Dann steigen die Register nach hinten an, und ganz am Ende sind die größten, die Sechzehnfüßer.«
    »Ich nehme an, daß diese Orgel zu dem ›romantischen‹ Typ gehört, den die Franzosen im neunzehnten Jahrhundert in so großer Zahl bauten?«
    Sie folgte ihm in das Gewirr der Orgelpfeifen.
    »Richtig. Ich merke, daß du von Orgeln eine ganze Menge verstehst.«
    »Wenn ich ehrlich sein soll, eigentlich gar nichts, aber aus dem Unterricht in Musikgeschichte erinnere ich mich an einiges.«
    »Vielleicht bist du einfach nur empfänglich für alles aus der romantischen Periode?«
    »Vielleicht liegt es daran…«
    Ich blieb stehen und sah die enormen Pfeifen an, drehte mich um und fand sie dicht hinter mir.
    »Enorme gotische Phallussymbole, nicht wahr?« sagte ich und näherte mich ihr noch mehr.
    Sie nickte und ihr Blick war verteufelt spitzbübisch und wich meinem keine Sekunde aus. »Jetzt wollen wir mal sehen, ob ich die Situation richtig eingeschätzt habe«, dachte ich und beugte mich zu ihr hinab. Sie wich mir noch immer nicht aus, und unsere Lippen trafen sich. Eine halbe Minute später wußte ich, daß ich die Lage vollkommen richtig beurteilt hatte; dieser Kuß zeugte von Erfahrung und versprach noch eine ganze Menge mehr. Ich behielt meinen festen Griff um ihre Taille bei und drückte sie an mich. Sie hielt immer noch die Hände auf dem Rücken, neigte sich nach hinten und sah mich lachend an.
    »Du ruhst dich wahrhaftig nicht auf deinen Lorbeeren aus, muß ich sagen. Und weißt du, ich hatte eigentlich von Anfang an das Gefühl, daß es nicht unbedingt die Orgelpfeifen waren, die du mir zeigen wolltest.«
    Wir waren fast gleich groß, und ich konnte deutlich ihren Venusberg spüren, der gegen meinen

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