Anthropofiction
oft widerwilligen Respekt der anderen DEI-Beamten und begeisterte Bewunderung seiner Untergebenen eingetragen.
Die Tatsache, daß Lloyds Beziehung zu seinen Leuten eher die eines Beraters als die eines Koordinators war, erschwerte die Dinge, wenn seine Hilfe ausblieb. Es wurden nur ein paar Fehler gemacht, aber sie passierten bevorzugt auf einer grundlegenden technischen Ebene, wo sie nicht durch reine Beamten-Flickarbeit berichtigt werden konnten. Natürlich gab es Gerede, und Lloyd bemerkte es, aber er schien nichts dagegen unternehmen zu können. Die wunderbare Konzentrationsfähigkeit war dahin. Sie wurde durch ein anderes Problem, das von Merriel Stevenson, abgelenkt. Es schien ebenfalls unlösbar. Er entsann sich seines Versprechens: »Ich werde alles in Ordnung bringen!« Aber noch hing die Anklage wegen Spionage wie eine Gewitterwolke über ihr. Er konnte keine Lösung entdecken, und sein plötzlicher Anfall beruflicher Unzulänglichkeit schwächte zusätzlich sein Selbstvertrauen. Schließlich veranlaßte seine Ohnmacht ihn, Hilfe zu suchen. Er ging zu Sam Pennington.
Selbst unter den Myriaden von Charakteren im DEI ragte Pennington als Exzentriker heraus. Groß, dünn und völlig kahlköpfig, betrachtete er die Welt spottlustig unter bleistiftdünnen Augenbrauen hervor. In einer sauber rasierten Epoche wurde sein Gesicht von dem dicksten, schwärzesten Schnurrbart, den man sich vorstellen kann, beherrscht. Auch trug er eine Pfeife zur Schau, sicher die letzte noch existente; das vorletzte Exemplar mußte vor Jahrzehnten ausrangiert worden sein. Seine Respektlosigkeit, besonders seinen Vorgesetzten gegenüber, war sprichwörtlich. Und überdies war er vermutlich der fähigste Psychologe der Galaxis, zumindest, soweit sein Spezialgebiet in Frage stand. Er war beim DEI für psychologische Konditionierung angestellt und für die emotionale Haltung jedes Agenten verantwortlich, der zum Einsatz kam. Man sagte, er könne einen fanatischen Neuling innerhalb einer Stun de von seiner terrestrischen Moral befreien und ihm in noch kürzerer Zeit eine neue Haltung aufpfropfen. Man sagte auch, und mit größerem Recht, er werde für die Synthese bezahlt, genieße aber die Analyse.
Sams Augenbrauen-Bleistifte hoben sich, als Lloyd eintrat. Natürlich hatte er Lloyd ein paarmal behandelt, während dessen Außenarbeitsphase. Das war eine gan ze Weile her; Manipulation von Abteilungsleitern war verpönt. Er winkte seinen Besucher auf einen Stuhl.
Widerwillig akzeptierte Lloyd. Er kannte diesen Stuhl mit seiner versteckten Hypophysenspritze; er war überall im DEI als »der Narkosesitz« bekannt.
»Außeneinsatz?« fragte Sam. »Ich hätte angenommen, deine Haut werde für zu kostbar gehalten, um sie zu riskieren.«
»Nein. Persönliche Probleme. Ich scheine nicht mehr klar denken zu können, und die Interpretation steht kurz vor dem Zusammenbruch. Und ich auch.«
Sam war natürlich über alles aufgeklärt, und ein paar geschickte Einwürfe brachten die ganze Geschich te ans Licht, angefangen bei Rapers mitternächtlichem Ruf zu der Abwehr-Konferenz, bei der der Psychologe auch anwesend war. Schließlich erriet Lloyd die Funktion von Penningtons unvermeidlicher Pfeife: Er gebrauchte sie fast wie einen Dirigentenstock, indem er die Erzählung durch kunstvolle Einsätze leitete. Als die Geschichte zu Ende war, tauchte er aus einer Rauchwolke empor.
»Ich vermute, daß ich helfen soll«, bemerkte er, »aber ich weiß nicht, wie. Das ist ein bißchen anders als Agentenbehandlung. Es ist nicht allzu schwierig, das Unsinnsgespinst auseinanderzuzupfen, das den meisten Menschen als ethischer Schleier dient; zumindest ist es einfach, es soweit zu tun, daß es möglich wird, genügend Assoziationen und Hemmungen einzu impfen, um sie davon abzuhalten, beim ersten Mal, wenn irgendein Extraterrestrier ihr Gefühl für Schicklichkeit verletzt, zu explodieren. Es ist eine ganz oberflächliche Tünche, die ich ihnen gebe. Dein Fall liegt anders. Dieser Verlust an Leistungsfähigkeit zeugt von einem inneren Konflikt, und ein wenig sogar von Selbstbestrafung. Und bei einem Abteilungschef kann ich mich nicht tiefgreifend einmischen; es ist zu leicht möglich, daß genau das richtige Gleichgewicht gestört wird, das ihn brauchbar machte.« Er erlaubte sich ein Grinsen.
»Zumindest können wir einen Blick riskieren und feststellen, wo dein Problem liegt. Lehn dich zurück. Es ist die rechte Schulter, wie du weißt.«
Lloyd lehnte seine
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