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Anthropofiction

Anthropofiction

Titel: Anthropofiction Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon E.Stover und Harry Harrison
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Seine unbehagliche Stimmung verschwand bei Merriels Eintreten.
    Sie war geheilt, aber noch blaß, und verwirrt und unsicher. Undeutlich erinnerte sie sich an Lloyds Besuch an ihrem Krankenbett, aber der Trost, den er gebracht hatte, schwand, als Wochen vergingen und er ausblieb. Nur heute hatte sie wieder Hoffnung geschöpft, als man ihr die Verabredung mit ihm bestellt und ihr erlaubt hatte, das Departments-Gebäude ohne Wachtposten zu betreten. Unsicher lächelte sie ihm zu.
    »Geht es besser?« fragte er.
    Merriel nickte. »Irgendwie hatte ich geglaubt, du würdest wiederkommen.«
    »Ich hatte soviel zu tun hier mit meinen Bemühungen, die Dinge in Ordnung zu bringen. Ich wollte nicht kommen, bevor ich dir nicht sagen konnte, daß alles in Ordnung ist.«
    Ein inneres Strahlen ließ Merriels blasses Gesicht erglühen und erhöhte die Stimmlage des Mädchens. »Dann ist also alles in Ordnung. Die Gefangenen sind frei!«
    »Laß uns zuerst von dir sprechen. Es scheint, daß der Schlamassel, in den du geraten bist, einfach nur auf einem dummen Irrtum beruhte. Als meine Sekretärin wäre es für dich erforderlich gewesen, zu allen Geheimsachen zugelassen zu sein. Diese Zulassung wur de am Tag vor deinem Abenteuer rechtskräftig. Also existiert kein Fall von Verstoß gegen die Sicherheit.«
    »Danke, Lloyd.« Merriel entdeckte, daß ihre Augen feucht waren.
    Zwei Jahre beim DEI vermittelten ihr eine vage Vorstellung von den heroischen Anstrengungen, die notwendig waren, um diesen »dummen Irrtum« passieren zu lassen. »Und die Gefangenen?«
    »Sie sind hier. Daran hat sich nichts geändert.«
    Ein Gefühl der Beleidigung und des Verrats überkam sie. Wie hatte sie zulassen können, daß dieser Mann sie zweimal enttäuschte! »Warum habe ich dir wieder vertraut?« flüsterte sie erstickt. »Ich hätte nicht hierher zu kommen brauchen. Ich hätte stattdessen zu den Zeitungen gehen können! Glaubst du denn, daß ich mich selbst retten wollte?« Ihre Stimme steigerte sich zu einem Schreien. »Du solltest mich lieber schnell einsperren! Ich werde auf der Straße schreien, um sie zu retten!«
    »Sei ruhig«, sagte Lloyd. »Ich will dir die Gefangenen zeigen.« Der Überraschungseffekt brachte sie zum Schweigen.
    »Warum schiebst du deine Entscheidung nicht auf, bis du sie siehst? Es hat mehr als einen Irrtum in diesem Wirrwarr gegeben; man kann kaum behaupten, daß die Gefangenen mißhandelt werden. Wenn du sie siehst, wirst du mir zustimmen, und die ganze Affäre kann beigelegt werden.«
    Merriel glaubte ihm nicht mehr. Sie sprach in hoffnungsloser Verzweiflung. »Was soll mich hindern, zu heucheln, bis ich entkommen und ihnen Hilfe bringen kann? Genau das werde ich tun!«
    »Sieh mich an, Merriel.« Und als das Mädchen sein feuchtes Gesicht zu ihm erhob, sprach Lloyd zu ihr, aber die Bedeutung seiner Worte sollte sie erst später verstehen. »Du wirst mir wegen der Gefangenen zustimmen. Aber ob du das tust oder nicht, wirst du dein Leben lang von einem Mitglied dieser Abteilung bewacht werden. Komm jetzt.«
    Der Gang durch den Ausgang D war für Merriel wie ein Traum. Erinnerungen, die sie haßte, überkamen sie. Eine Wache kam auf sie zu und schloß die erste und die zweite Türe auf. Sie hörte Lloyd reden. »Sieh die Gefangenen an«, sagte er.
    Da waren sie alle, die Centaurianer, die Rigelianer, die Leute vom fernen Polaris, Vertreter aller Menschenrassen. Und das größere Wunder: Unsichtbar waren die Planeten selbst hier, denn die Gefangenen wuchsen auf und lernten jeder in seiner eigenen heimatlichen Umgebung. Aber der Prozeß war unsichtbar, denn die Umweltfakten wurden den Gefangenen durch Lochkarten eingegeben, und das geistige Reifen der Gefangenen war eine Angelegenheit des veränderten Widerstands in einem Transistor, einer komplexeren Struktur des elektronischen Befehls auf dem halbleitenden Dielektrikum eines Gedächtnisspeichers. Verständnislos betrachtete Merriel die großen Rechenanlagen.
    »Was …?« flüsterte sie. »Was …?«
    Lloyd fühlte eine heftige Enttäuschung. Er hatte sich eingebildet, Merriel würde sofort verstehen, daß dies die Gefangenen waren; diese lernenden Rechenanlagen, die den Wissenschaftlern des DEI als Modelle für die Menschen auf den Planeten dienten, Modelle, an denen geplante Maßnahmen ohne die Gefahr sozialer Zerstörung getestet werden konnten, und deren Existenz ihren menschlichen Ebenbildern für immer verborgen bleiben mußte, wenn ihr Nutzen aufrecht erhalten

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