Anthropofiction
ist. Aber das wußtest du nicht, und die Zurückweisung, die du gespürt hast, ist der Grund für deine nachträgliche Feindseligkeit gegen den Gedanken, daß du sie liebst. Da das zärtliche Gefühl dennoch vorhanden war, begrüßtest du die Vorstellung, sie habe damit zu tun, denn das würde dir eine Gelegenheit geben, ihr zu helfen und sie zu verteidigen und die abgebrochene Beziehung wiederaufzunehmen. Der weiße Ritter Best! Und verteidigt hast du sie bestimmt. Wie du weißt, war ich auf der Konferenz und habe mit angesehen, wie du Joel Ferguson im Interesse von Miss Stevenson abgekanzelt hast wie einen Stümper. Damals fand ich, daß deine Darbietung nicht so ganz rational war. Ich glaube, sogar du würdest zugeben, daß sie übertrieben war.
Ich übergehe die zärtliche Szene im Krankenhaus, aber sie ist wirklich kaum zu mißdeuten, Best! Unglücksfälle sind beim DEI schwerlich unbekannt, selbst in der Interpretation. Keiner hat dich zuvor so betroffen wie dieser. Kommen wir jetzt zu dem kurzen Prozeß mit John Manning Lyons.«
»Du glaubst, das hatte einen persönlichen Grund!«
»Ja. Oh, ich räume ein, daß der berüchtigte Lyons jemand ist, bei dem du es dir überlegen würdest, ihm aus der Patsche zu helfen, und daß deine Entscheidung ebenso gerechtfertigt war wie auch bester DEI-Tradition in Unbarmherzigkeit entsprechend. Wir sind duldsam mit den Eingeborenen, aber furchtbar hart gegen Terrestrier! Was ich verdeutlichen will, ist, daß dein Handeln nicht in deiner Tradition lag. Du hast einen gut beglaubigten Ruf in der Interpretations-Abteilung, deine Toleranz und Nachsicht betreffend. Nein. Lyons hat, wie Ferguson, nicht für seine offenkundigen Fehler gelitten. Sein wahres Verbrechen war seine Komplizenschaft bei dem Abenteuer, das deine Liebste verletzt hat. Das und vielleicht eine Spur von Eifersucht deinerseits. Offensichtlich kannte er Mendel gut.«
»Eine nette Sammlung widerlicher Motive schreibst du mir zu.«
»Eine Sammlung unterschwelliger Motive, ja. Verdrängte. Aber sie erklären den inneren Konflikt, der dich jetzt lahmlegt. Teilweise ist es dein Schuldgefühl wegen deiner kürzlichen Handlungen, das aus diesen Motiven erwächst. Aber größtenteils ist es deine ambivalente Haltung Miss Stevenson gegenüber, die aus deinem Gefühl für sie in Verbindung mit deiner Feindseligkeit gegen sie entsteht, weil sie dich neulich abgewiesen hat. Diese Zurückweisung, die durch die Verwirrung wegen der Gefangenen so leicht erklärlich ist, hat bis jetzt einem Entschluß entgegengestanden, weil sie nie eingestanden worden ist. Das ist die große Schwierigkeit. Nicht, wie du Merriel entlasten kannst, wie du dir eingeredet hast. Das wäre eine Kleinigkeit für einen Abteilungschef des DEI, der normalerweise Planeten manipuliert! Aber ob du sie völlig entlasten oder sie für ihre Zurückweisung deiner Person zahlen lassen sollst!«
Da Lloyd schweigend dasaß, fuhr Sam fort: »Es gibt eine einfache Lösung. Akzeptiere deine vergangenen Handlungen, deren Folgen, von den Motivationen abgesehen, niemand anfechten kann. Was die hübsche Merriel angeht, will ich dir ein offenes Geheimnis verraten. Bis vor einiger Zeit ist ihre offenkundige Bewunderung für dich eine Quelle des Amüsements für das Department und eine Enttäuschung für seine begehrlicheren männlichen Angestellten gewesen. Befreie sie, söhne sie mit den Gefangenen aus und gewinne das Mädchen. Also spricht Pennington, berühmt als Ratgeber bei Liebeskummer.« Er grinste.
Als Lloyd gegangen war, schenkte er sich noch eine Tasse Kaffee ein. Niemand würde nach der eben abgelaufenen Unterhaltung vermuten, dachte er, daß er Best wirklich gern mochte.
An dem Tag, als Merriel wieder, soweit genesen war, daß sie das Krankenhaus verlassen konnte, saß Lloyd in seinem Büro und wartete. Er dachte über Penningtons Analyse nach und überlegte, ob er sie wirklich ganz akzeptieren konnte. Er gab zu, daß vieles der Wahrheit entsprechen mußte; sicher war das Problem, Merriel zu entlasten, kinderleicht gewesen, nachdem er sich einmal aufgerafft hatte, sich darum zu bemühen. Ein Gespräch mit Raper und Ferguson hatte genügt, ohne daß auch nur die erwarteten Einwände geäußert worden wären. Ohne daß Lloyd es wußte, hatte Pennington vorher mit ihnen geredet, und seine präzise Diagnose hatte überzeugt. Was sein eigenes Gefühl für das Mädchen anging, war der Zustand gespannter Erwartung, in dem er sich befand, Bestätigung genug.
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