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Anthropofiction

Anthropofiction

Titel: Anthropofiction Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon E.Stover und Harry Harrison
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zu dem Affenkind, während sie den Pfad entlang trotteten. Er versuchte sich den Gesichtsausdruck des Häuptlings vorzustellen, wenn er zurückkehrte und die komplette Reihe von Lexika vorfand, die ihn erwartete. Lane hat te solche Bücher früher oft genug erwähnt, wenn sein kleiner Fundus an Allgemeinwissen erschöpft war. Dann endete der kurze Pfad, und Tama rannte schnell voraus, um das Kanu weiter auf den Strand zu ziehen.
    »Schau, Lehrer. Ich habe nur den schwarzen Mann und die Kiste weggebracht.«
    Zum größten Teil war der Inhalt solches Gerümpel, wie irgendein Eingeborener es sich angeeignet haben könnte: ein paar billige Glasperlen, ein kleines Häufchen faulender Lebensmittel, die Lane hastig in den Fluß warf. Darunter lag der bunte, schmutzige Schuh einer weißen Frau; Größe drei, zu klein für eine Eingeborene! Er hob ihn langsam auf und drehte ihn unwillig in seiner Hand, ohne auf Tamas fragendes Geplapper zu hören. Ein alberner, kleiner, goldener Tanzschuh, Größe drei, verlorengegangen auf diesem wilden Kontinent, der die ganze leichtsinnige Verrücktheit der Frau noch an sich hatte, die ihn einst getragen haben mußte. Eine kleine, geschmeidige Frau, wahrscheinlich jung, die einen zehfreien Schuh mit spitzem, hohem Absatz trug, in irgendeiner belebten Stadt lach te und tanzte, trank, flirtete und schwatzte, wie Linda damals in New York, als er dumm genug gewesen war zu glauben, sie liebe ihn und nicht das Vermögen, das sein Vater ihm hinterlassen hatte.
    Einen Augenblick, während er den Schuh in Händen hielt, glaubte er, daß noch Spuren eines schwachen weiblichen Parfüms über dem stinkenden Geruch des Kanus an ihm abglitt. Die Illusion schwand, aber Erinnerungen ergriffen ihn und blieben auch, als der Schuh ihm aus der Hand fiel, mit der Strömung des Wassers abtrieb und langsam sank. Mädchen, Frauen, Clubs, Tanz, Parties – der Rhythmus einer Jazz-Band, das Gelächter einer Menschenmenge, die Erregung des Neujahrsabends auf dem Times Square, Madison Square Garden – das spöttische Gesichtabwenden eines Mädchens, um einem Kuß auszuweichen, den sie später willig gewähren wird; das Rascheln von Seide und die weichen Konturen eines weiblichen Rückens im Abendkleid; das Geräusch eines Lachens aus dem Badezimmer, während er auf sie wartete; der rasche Blick, den zwei Menschen über einem Drink wechseln konnten, wenn sie an einer Bar saßen! Frauen, Pferderennen, Gelächter, Musik – der rein menschliche Teil der Zivilisation!
    »Lehrer?« Tamas Stimme klang verlegen, und er zupfte unsicher den Mann am Ärmel.
    Lane richtete sich auf, wischte sich die albernen Tränen aus den Augen und versuchte vergeblich, den Schmerz, der ihn durchlief, abzutöten. Er wußte, er konnte es nicht. »Es ist gut, Tama.«
    Aber er wußte, daß es nicht gut war. Er wußte es schon, bevor seine Füße ihn vorwärtstrugen und seine Arme nach dem Bug des Kanus griffen, das zu schwer für ihn war, um es zu bewegen. Tama sah seine Anstrengung, und der junge Affe sprang hinzu, nur zu glücklich, ihm auf irgendeine Weise helfen zu können. Das Boot rutschte und glitt in den Fluß, während Lanes Füße sich über die Bootswand schwangen und er sich darin niederließ, das Gesichtflußabwärts gerichtet und mit den Händen unbewußt nach dem Paddel greifend. Tama machte Anstalten, hineinzuklettern, aber er schüttelte rasch den Kopf »Nein, Tama.«
    »Warum nicht, Lehrer?«
    »Weil ich fortgehe, Tama, und du kannst nicht dorthin, wo ich hin muß. Sag Ajub, daß die Bücher ihm besser nützenkönnen, als ich es könnte, und daß ich zu meinem Volk zurückgekehrt bin! Auf Wiedersehen, Tama.«
    »Lehrer! Geh nicht! Komm zurück!« Es war ein qualvolles Jammern, während das Affenkind am Ufer auf- und absprang, aber das Boot glitt fort und war schon außer Reichweite. Lane seufzte leise, blickte zurück und winkte zur Flußbiegung hin, bevor er die vertrauten Grenzsteine aus den Augen verlor. Aber hinter sich hörte er immer noch das Wellklagen des Affen. »Lehrer, komm zurück! Geh nicht fort, Lehrer! Komm zurück!«
    Diese Laute schienen Lane während der kurzen Zeit, als um ihn noch Tag war, zu jagen; dann verschwanden sie in der Dschungelnacht, überdeckt von den Schreien der großen Raubkatzen und dem ständigen Gemurmel des Stroms. Seine Schultern schmerzten unerträglich, während er ununterbrochen das Paddel bewegte, um das Kanu vorwärts zu treiben. Sein Magen war leer, aber das kam ihm nicht zu

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