Anthropofiction
dem festgeschraubten Fahrrad strampelte. Die LaGrange-Kugelblitze waren jetzt fast über dem Schiff.
Blake sprang an die Kontrollen der Lautsprecheranlage; seine Stimme dröhnte über das Schiff.
»Eisenberg! In Deckung !«
Eisenberg mußte seinen Namen gehört haben, denn er hob den Kopf, in eben der Sekunde, als ein Kugelblitz ihn erreichte. Er schwebte vorbei, und der Sattel des Geräts war leer.
Als die Gefahr vorüber schien, untersuchten sie das Gestell und fanden es unbeschädigt. Die Atemmaske war vom Schlauch abgerissen. Blutspuren gab es nicht. Bill Eisenberg war einfach verschwunden.
»Ich gehe hinauf!«
»Sie sind nicht in dem entsprechenden Gesundheitszustand, Doktor.«
»Sie haben die Verantwortung dafür nicht zu tragen, Kapitän Blake.«
»Das weiß ich. Wenn Sie wollen, dann gehen Sie – nachdem wir den Körper Ihres Kollegen gefunden haben.«
»Verdammt! Ich suche ihn dort oben !«
»Wie? Hä? Wie das?«
»Falls Sie recht haben und er tot ist, hat die Suche keine Eile. Habe ich recht, gibt es nur eine Möglichkeit, ihn zu finden – da oben!« Graves deutete auf die Wolkendecke über den Säulen.
Blake musterte ihn bedächtig, dann wandte er sich an den Chefingenieur.
»Mr. Hargreaves, beschaffen Sie eine Atemmaske für Dr. Graves.«
Der Doktor konditionierte sich dreißig Minuten lang auf dem Gestell, während Blake schwieg und ausdruckslos vor sich hinstarrte. Die Mannschaft, Matrosen wie Offiziere, hielt Abstand von ihm; sie pflegten ihre Stiefel federleicht aufzusetzen, wenn der Kapitän diesen Blick hatte.
Nach Abschluß der Konditionierung halfen die Matrosen Graves rasch in die Montur und schnallten ihn in der Tauchkugel fest, in aller Eile, um ihn nicht zu lange dem Stickstoffgehalt der Atmosphäre auszusetzen. Eben sollte die Einstiegsluke verschraubt werden, als Graves nach dem Kapitän rief.
»Ja, Doktor?«
»Die Goldfische – würden Sie sich bitte um sie kümmern?«
»Selbstverständlich, Doktor.«
»Vielen Dank.«
»Keine Ursache. Sind Sie fertig?«
»Fertig.«
Blake trat einen Schritt vor, streckte einen Arm in die Öffnung und schüttelte Graves die Hand.
»Viel Glück.« Er trat zurück. »Schließen Sie zu.«
Die Tauchkugel wurde über Bord gehievt; zwei Boote schleppten sie eine halbe Meile in Richtung auf die Kanaka-Säule, bis die Strömung stark genug war, sie ins Ziel zu befördern.
Blake verfolgte die Kugel mit dem Fernglas. Zuerst trieb sie langsam dahin, dann riß die Strömung sie schnell mit sich; die letzten fünfhundert Meter schoß die Kugel mit enormer Geschwindigkeit auf die Säule zu. Blake erspähte noch einmal einen gelben Fleck auf der Wasseroberfläche, dann war nichts mehr zu sehen.
Acht Stunden vergingen – kein Rauchsignal erschien. Neun Stunden, zehn Stunden; nichts. Nach vierundzwanzigstündiger Suche im Bereich der Wahini-Säule verständigte Blake das Marineministerium.
Vier Tage – Blake wußte, daß der Insasse der Tauchkugel tot sein mußte; ob durch Ertrinken, durch Ersticken oder aus anderen Gründen, das war gleichgültig. Er lieferte seinen Bericht ab und erhielt Anweisung, eine Ehrung der Verschollenen vorzunehmen. Die Mannschaft trat an; Kapitän Blake hielt seine Ansprache mit lauter, rauher Stimme und warf ein Bündel Hibiskuszweige über Bord – mehr hatte sich zur Zeit nicht auftreiben lassen – dann ging er zur Brücke, um Befehl zu geben, Kurs auf Pearl Harbor zu nehmen.
Auf dem Weg zur Brücke verweilte er einen Augenblick in seiner Kabine und befahl dem Steward: »In dem Waschbecken von Mr. Eisenberg finden Sie ein Paar Goldfische. Besorgen Sie einen passenden Behälter und stellen Sie die Tiere in meine Kabine.«
»Jawohl, sicher, Kapitän.«
Als Bill Eisenberg die Besinnung wiedererlangte, befand er sich an einem Ort. Bedauerlicherweise läßt sich eine bessere Beschreibung nicht geben; es gab keine Gegenstände zu beschreiben.
Aber auch das stimmte natürlich nicht ganz – wo Eisenberg sich befand, war es weder dunkel noch herrschte Mangel an Atemluft, der Raum war auch nicht zu eng. Doch er ermangelte jeglicher Einrichtung, war so leer, daß Eisenberg Schwierigkeiten hatte, die Ausmaße zu erfassen. Die Eigenschaft des plastischen Sehens läßt nach etwa zwanzig Metern nach, und die Fähigkeit, an der optischen Größe eines Objekts im Verhältnis zu seiner bekannten tatsächlichen Größe seine Entfernung zu bestimmen, war hier bedeutungslos. Solche Objekte waren nicht vorhanden.
Eisenberg
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