Anthropofiction
der Eiszeit, Oscar? Jener, der angeblich keinerlei wissenschaftliche Bedeutung hatte?«
Oscar nickte unbestimmt und nahm ein Baby aus dem vierten Brutkasten heraus. »Ich glaube. Aber haben wir sie nicht alle vernichtet?«
»Alle bis auf zwei. Ich habe sie auf meiner Farm aufgezogen. Es hat sich herausgestellt, daß der erwachsene Ur-Nerz einen Pelz besitzt, der die aller anderen lebenden Tiere – auch Zobel und Chinchilla – rattenartig erscheinen läßt. Einleuchtend, versteht ihr. Um einen Vergleich zu geben, wir leben in einem nahezu tropischen Klima. Als richtig pelztragende Kreaturen sind die der Eiszeit unschlagbar.«
»Aber – was willst du mit ihnen machen?« fragte seine zukünftige Ehefrau.
»Die Pelze verkaufen, natürlich! Wenn wir schon sonst nichts haben, werden sie uns Leben und Labor-Ausstattung finanzieren. Mit etwas Glück werden wir ökonomisch völlig unabhängig sein.«
Oscar Felzen schien zu zweifeln. »Es hört sich etwas phantastisch an, Herr Professor. Schließlich hat keiner von uns irgendwie wirkliche Geschäftserfahrung …«
»Ich hasse es, wenn man mir sagt, ich könne irgend etwas nicht durchführen«, sagte Professor Putnam gereizt. »Man hat Appelbaum gesagt, er würde niemals einen Chromosomenabdruck nehmen, der die Molekularstruktur des Gens reproduzierte, und dann sagte man meinem alten Professor Morelli, er würde niemals Chromosomen in einer fossilen Knochenzelle finden! Aber er fand sie, und ich habe sie erfolgreich auf eine lebende Zygote übertragen!«
Felzen zuckte grinsend die Achseln. »O. K. Also sind dem menschlichen Geist keine Grenzen gesetzt. Aber was ist mit Ihrem Argument von der Minderwertigkeit des Homo sapiens ?«
Stirnrunzelnd leerte Professor Putnam den letzten Brutkasten. »Ich weiß nicht. Vielleicht war es das, was mir dieses Experiment so wichtig machte. All diese Experimente, natürlich. Endlich machen wir die jahrhundertealte Zerstörung rückgängig, indem wir die Kreaturen zurückbringen, die wir so mutwillig vernichtet haben.«
Er reichte den schreienden Säugling zu Miss Kalish hinüber. »Mißverstehen Sie mich nicht, Oscar. Es ist nicht der Ichthyosaurier vom letzten Monat, auf den es ankommt oder hier der Neanderthalensis. Sie sind ohne Bedeutung. Aber wenn der Mensch aus dieser Arbeit lernt, mit sich selbst und den anderen Kreaturen um ihn herum gleichermaßen auszukommen, dann ist die Humanität auf dem richtigen Weg!«
Das erste Neanderthal-Baby wachte auf und begann kräftig zu schreien.
… seine vergleichsweise kurze Dauer. Obgleich erstaunlich scharfsinnig, war der Sapiens emotional unstabil. Während seiner dreißigtausend Jahre auf der Erde machte er unaufhörliche Versuche, seine eigene und alle anderen Spezies zu vernichten. Zur Ehre gereicht ihm allerdings die Tatsache, daß der Sapiens kurz vor seinem letzten – und erfolgreichen – Versuch der Selbstzerstörung den stabileren Homo Neanderthalensis II (q. v.) wieder auf der Erde einführte, der fähig war, die endgültige Vernichtung des Sapiens zu überleben, dadurch den Planeten erbte und die etwaige Position Sols im galaktischen …
ENCYCLOPEDIA GALACTICA
Carleton S. Coon
Die Zukunft der menschlichen Rassen
Jeder Mensch ein Genius, und die Rückkehr des Zentauren
Alle zwei bis drei Jahre veröffentlicht die Sonntagsausgabe der New York Times die Prognose irgendeines führenden Anthropologen zu dem Problem, wie unsere Nachfahren in entfernter Zukunft aussehen werden. Gewöhnlich findet sich dort das Bild eines Menschen mit ausladendem Schädel, kleinen Kiefern und vier Zehen. Science-Fiction-Autoren dagegen sind weniger konservativ, und so sind wir auch.
Doch wird kein Science-Fiction-Autor benötigt, um vorauszusehen, was geschehen kann. Herman Muller, Joshua Lederberg, J. B. S. Haidane und andere namhafte Wissenschaftler – unter ihnen auch Nobelpreisträger – haben das bereits klargelegt. 1 Dr. Muller möchte Spermen-Banken erstellen, wo der Samen hervorragender Männer unter niedrigsten Temperaturen gespeichert wird, um von Zeit zu Zeit zur Befruchtung begabter Frauen aufgetaut zu werden. Im Augenblick wird die künstliche Befruchtung bereits seit einiger Zeit bei Frauen, die von ihrem Ehemann nicht empfangen können, praktiziert, und es gelang schon vor einigen Jahrzehnten, tiefgefrorene Spermien unversehrt wieder aufzutauen, nämlich Hudson Hoagland und Gregory Pincus, dem Erfinder der gleichnamigen Pille, mit Froschzellen.
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