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Anti-Eis

Anti-Eis

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Platz finden könnte, ziehen täglich
über den Wolken ihre Bahn und haben die Entfernung zwischen
Manchester und Moskau auf nur noch wenige Stunden verkürzt.
Transatmosphären-Schiffe flitzen zwischen Erde und Mond hin und
her, und jedes Jahr versorgt uns die Royal Geographic Society mit den
neuesten Forschungsberichten betreffs des Traveller-Kraters und der
phoebianischen Felsentiere. Und, nicht zu vergessen, in unter den
Feldern von Kent verborgenen Silos harren die Gladstone-Granaten
ihres Einsatzes, eine für jede europäische
Großstadt.
    Es ist jetzt eine merkwürdiger Gedanke, daß Josiah
Traveller – am Ende seines Lebens – glaubte, mit der
Erschöpfung der bekannten Anti-Eis-Bestände am Südpol
würde die Nutzung dieser Substanz, ob nun zum Guten oder
Schlechten, ein Ende finden… Welche Ironie, daß er es in
seinem letzten, verzweifelten Akt der Menschheit doch ermöglicht
hatte, ihre gierigen Finger nach mehr Anti-Eis auszustrecken –
mehr, als er sich hätte vorstellen können –, ein
Vorrat, der so groß ist, daß er praktisch
unerschöpflich scheint!
    Wer hätte wohl geahnt, daß der Kleine Mond fast
ausschließlich aus Anti-Eis bestand? Astronomen, die den
Vorfall beobachteten, erkannten sofort, daß eine Detonation von
der durch den Aufprall der Phaeton verursachten Stärke
nur das Resultat einer Anti-Eis-Explosion sein konnte. Die
Wissenschaftler wissen jetzt, daß der Kleine Mond ein Fragment
jenes Kometen ist, der bei der Erschaffung des Traveller-Kraters
zerstört wurde – ein Fragment, das eine Umlaufbahn um die
Erde einschlug – möglicherweise, nachdem es durch den
Kontakt mit den Ausläufern der Erdatmosphäre Masse verlor
und dadurch abgebremst wurde. All das geschah im achtzehnten
Jahrhundert, so sagen die Naturvölker; und zur selben Zeit, als
die australischen Aborigines ein weiteres Fragment des Kometen
über den Himmel rasen sahen, ging der Kleine Mond in einen Orbit
um die Erde.
    So kreiste ein immenser Vorrat an Anti-Eis-Energie um die Erde,
der durch seine schnelle Rotation und die regelmäßigen
Abstecher in den Erdschatten am Schmelzen und Explodieren gehindert
wurde.
    Als Traveller nun unfreiwillig den Weg gewiesen hatte, wurden die
restlichen irdischen Eisbestände zum Bau neuer Phaetons verwendet, mit denen man gerade bis zum Mond fliegen und die
Dewars mit neuer wertvoller Tiefkühlenergie beschicken konnte.
Und heute kann jeder Europäer die winzigen Funken der britischen
Orbitalboote beobachten, die unablässig zum Kleinen Mond
aufsteigen, wieder in die Atmosphäre eintauchen und somit unsere
Macht weiter festigen.
    Wie der arme Traveller diese Entwicklung gehaßt hätte!
Oft frage ich mich, ob er in diesen letzten Sekunden, als das alles
verzehrende Licht sich durch die Aluminiumwand der Phaeton brannte, die Implikationen seines Handelns begriff. Ich bete,
daß er es nicht tat; daß dieses große, geniale
Gehirn schon lange vor der Vernichtung seines Schiffes den Dienst
versagte und Traveller die Vereitelung seines Vorhabens nicht mehr
erlebte…
    Aber ich schweife ab.
    Edward, ich komme wieder auf das Thema unserer Debatte an jenem
Samstagabend zu sprechen. Ist die Welt nun ein besserer Ort dank
dieser Pax Britannica, die wir mit unserem Anti-Eis und unserer
Industrie und Verwaltung verordnet haben?
    Die Antwort muß, leider, so ausfallen: Nein. Letztlich nicht
einmal für uns Briten selbst.
    Ich weiß, daß Dein Interesse an Politik bestenfalls
marginal ist, aber selbst Du müßtest doch die
jüngsten unheilvollen Entwicklungen in der Heimat mitverfolgt
haben, wie zum Beispiel die Streiks wegen Balfours neuer
Lebensmittelsteuern – Steuern, die hauptsächlich zu dem
Zweck erhoben werden, den unzufriedenen Armen die Daumenschrauben
anzulegen – und die brutale Niederschlagung dieser Streiks durch
Churchills Truppen.
    Seit Jahrhunderten hat in England nicht eine derart rebellische
Stimmung gegärt. Wie konnten wir Briten, mit unserer Gabe der
Anpassung und des Ausgleichs, nur so weit kommen? Bisher war es
nämlich in Großbritannien Tradition, kleinere Konzessionen
zu machen, um Unzufriedenheit nicht zu blutigen Aufständen
eskalieren zu lassen. Für Balfour könnte ein solcher
Kompromiß nun darin bestehen, sich ein wenig an diesem Waliser
David Lloyd George zu orientieren, der Steuerreformen zu Lasten der
Superreichen und Grundbesitzer fordert. Ja, Edward; ich meine Lloyd
George, den Aufwiegler, der jüngst noch im Gefängnis
gesessen hat! Bist Du jetzt

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