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Anti-Eis

Anti-Eis

Titel: Anti-Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
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wollen.
    Sie schüttelte den Kopf, wobei ihre Anspannung und Wut kurz
von einem Staunen überlagert wurden. »Ned Vicars. Ich
dachte, Ihr wäret in der Explosion umgekommen.«
    »Ich befand mich an Bord der Phaeton, und diese wurde
nicht zerstört. Frédéric Bourne hat sie gekapert.
Wir sind gestartet – Françoise, wir sind zum Mond
geflogen!«
    Sie schaute mich an, als ob sie einen Irren vor sich hätte.
»Was habt Ihr gesagt? – Aber was ist mit
Frédéric?«
    »Er hat überlebt; und er befindet sich in sicherem
Gewahrsam. Aber Ihr…« Ich legte ihr die Hände auf die
Schultern und spürte nur Muskeln. »Françoise, was
ist mit Euch geschehen?«
    Sie stieß meine Arme weg und preßte ihre Flinte gegen
die verölten Überreste ihres Kleides. »Nichts ist mit
mir geschehen.«
    »Aber Euer Auftreten… dieses Gewehr…«
    Sie lachte. »Warum sollte eine Frau mit dem Gewehr in der
Hand denn etwas so Besonderes sein? Ich bin Französin, und mein
Land befindet sich in tödlicher Gefahr! Natürlich werde ich
da zur Waffe greifen.«
    »Aber…« Der Gestank von Staub und Kordit, das
Jaulen der Granaten, die Erschütterung des Decks – all das
brachte in meinem Kopf eine Glocke zum Läuten. »Ich
glaubte, Ihr wäret bei der Explosion des Schornsteins umgekommen
oder, falls Ihr überlebt hättet, gefangengenommen
worden.«
    Sie beugte sich näher zu mir herüber und schaute mir in
die Augen; ihr Gesicht, das mir einst so schön erschienen war,
war eine Maske der Verachtung. »Früher habe ich Euch und
Euresgleichen für… putzig gehalten. Im schlimmsten Fall
harmlos. Nun kommt Ihr mir jedoch verboten dumm vor. Ned, hört
mir zu. Ich wurde bei der Explosion des Schornsteins nicht verletzt,
weil ich nämlich – nachdem ich den Absperrhahn des
Schornsteins blockiert hatte, während der Führung unter
diesem mürrischen Ingenieur – dafür gesorgt habe,
daß ich mich in einem weit entfernten Winkel des Schiffes
befand.«
    Jetzt wurde mir klar, warum ich beschlossen hatte, diesen
schrecklichen Ort aufzusuchen. Ich mußte mich letztendlich der
Wahrheit stellen: Und hier lag sie vor mir, ungeschminkt und
fürchterlich. Ich konnte kaum sprechen.
    Eine Granate näherte sich, mit einem lauteren Kreischen als
alle bisherigen. »Françoise… kommt mit mir
zurück«, schrie ich gegen das Getöse an.
    Jetzt öffnete sie den Mund und lachte laut; dabei sah ich,
daß Speichel über ihre makellosen Zähne troff.
»Ned, ihr Engländer werdet den Krieg nie verstehen. Geht
nach Hause.« Sie wandte sich von mir ab…
    … und dann erbebte das Deck unter mir, und ich wurde auf den
Rücken geschleudert; ein lauter Schrei drang an meine Ohren.
    Die Albert war getroffen worden. Der Landkreuzer stoppte.
Traveller hatte recht gehabt: Ein präziser Treffer hatte
genügt, um das Schiff lahmzulegen. Aus vier Schornsteinen quoll
zwar noch Dampf, aber der fünfte stieß nur noch schwarzen
Rauch aus, der nichts Gutes ahnen ließ, und irgendwo aus dem
Innern des Schiffes drang ein tiefes, gequältes Knirschen, als
ob die metallenen Glieder des Schiffes noch immer versuchten, den
Landkreuzer fortzubewegen.
    Das Metall des Promenadendecks war wellenförmig deformiert
worden. Platten waren auseinandergerissen worden, die Nieten
abgeplatzt.
    Soldaten und Geschütze waren wie Spielzeug verstreut worden.
Doch um mich herum sah ich schon wieder zielstrebige Bewegung, als
Soldaten über ihre gefallenen Kameraden stiegen und die
verstreuten Waffen aufhoben.
    Françoise war nicht zu sehen. Vielleicht hatte sie sich
doch noch in Sicherheit bringen können – oder aber sie lag
leblos dahingestreckt inmitten ihrer Landsleute.
    Es gab jetzt nichts, was ich für sie tun konnte – wie es
schien, hatte ich eigentlich nie etwas für sie tun können
–, und ich mußte mich darauf konzentrieren, mich selbst zu
retten. Die Phaeton stand noch immer am anderen Ende des
Decks, jedoch in leichter Schräglage; als ich zu ihr hinrannte,
wurde der Landkreuzer von einer zweiten Explosion erschüttert,
und ich wurde erneut auf das blutverschmierte Deck geworfen. Es hatte
den Anschein, als ob die Prince Albert sich auch ohne weiteres
Zutun der Preußen selbst verschrotten wollte.
    Dampf quoll aus den Düsen der Phaeton. Ich hangelte
mich hastig die Strickleiter hinauf, zog sie hinter mir ins
Luftschiff und schlug das Schott zu; dann schleppte ich mich mit
letzter Kraft auf die Brücke.
    Traveller saß in seinem Sessel, wobei sein Gesicht zu einer
grotesken Maske verzerrt war;

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