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Anti-Eis

Anti-Eis

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waren paarweise in
umgekehrter V-Form angeordnet und wirkten dabei wie mechanische
Ankläger vor Gericht, wobei jedes Paar eine große
Metallspindel mit T-Profil aufnahm. Die Achse selbst verlief auf
ganzer Länge durch diesen Maschinenraum und wurde dabei durch
die Spindeln geführt. Unser permanent vor sich hinmurmelnder
Führer erklärte uns, daß diese Schwingungsmaschinen
über Transmissionsriemen mit dem Antrieb verbunden waren, wobei
diese Verbindung auf Anordnung der Brücke (die über ein
Sprachrohr erfolgte) getrennt werden konnte.
    Ich schaute zu dieser mächtigen Metallwelle hoch und stellte
mir vor, daß direkt auf der anderen Seite der Wandung die
Räder an der Achse geführt wurden. Angesichts dieser
leblosen Giganten fühlte ich mich auf die Größe einer
Maus reduziert. Ich versuchte mir diesen monströsen Raum
vorzustellen, wenn die Albert im Einsatz war. Wie würden
diese mächtigen Metallglieder wohl zerren und stampfen,
während die Räder des Schiffes den Boden Europas
umpflügten! Der Raum wäre ein Tollhaus aus gebrüllten
Befehlen, ölverschmierten Leibern und rennenden
Füßen.
    Holden trat dicht an mich heran, wobei seine Augen eine
gequälte Belustigung verrieten. »Dieser Meister Dever. Ein
charmanter Kerl, was, Ned?«
    Ich runzelte die Stirn. »Nun, vielleicht hätte der Mann
ja auch etwas Wichtigeres zu tun, Holden. Das muß man ihm schon
zugute halten.«
    »Wirklich? Der Anlaß des heutigen Ereignisses besteht
doch darin, Gelder für den Betrieb des Schiffes aufzutreiben.
Man müßte uns also überaus zuvorkommend behandeln,
selbst hier im stinkenden Bauch des Schiffes! Ich bin mir sicher,
daß unser Mr. Dever mit seinen Absperrhähnen und Schotts
vertraut ist, aber als Diplomat ist er eine völlige Niete.
Machen denn unsere Begleiter den Eindruck, als ob sie gewillt
wären, diesem Drömmel mildernde Umstände zu
gewähren?«
    Ich blickte auf die Franzosen, konnte mich Holdens düsterer
Diagnose indessen nicht anschließen; die jungen
Kontinentaleuropäer, die wie ein Blumenstrauß wirkten, den
man mitten zwischen die großen Maschinen geworfen hatte, waren
vom Anblick dieser Maschinen ganz hingerissen. Vielleicht
transzendierte der vom Schiff ausgehende Reiz des Neuen Holdens
zynische Berechnungen.
    Ich versuchte, zur wohlriechenden Françoise
aufzuschließen, aber das wäre mir wohl nur auf Kosten der
Diskretion und des guten Tons gelungen. Nichtsdestoweniger stellte
ich zu meinem Erstaunen fest, daß sie keinerlei Anzeichen von
Unbehagen angesichts dieser stählernen Ungetüme zeigte.
Vielmehr war ihr Gesicht sogar noch leicht gerötet, als ob sie
sich in Hochstimmung befand; und sie traktierte unseren muffigen
Führer mit einer Reihe erstaunlicher Fragen über
Kurbelzapfen und pneumatische Pumpen.
    Während ich dastand und dieses filigrane Profil bewunderte
– und darob ganz den konkurrierenden Charme der schmierigen
Maschinen um mich herum vergaß –, machte Holden sich an
Françoise heran. »Ziemlich attraktiv, diese ganze brutale
Kraft, Mam’selle.«
    Sie drehte sich zu ihm um. »Das stimmt, Sir.«
    »Stellt Euch nur vor, wie diese Kolben sich stampfend auf und
ab bewegen«, suggerierte Holden mit öliger Stimme,
»und die rotierende Achse wie ein schwitzender Körper
glänzt…«
    Ihre Augenbrauen hoben sich nur um wenige Millimeter, und dann
wandte sie sich mit einem kaum merklichen Lächeln ab. Holden sah
ihr nach, wobei ein berechnender Ausdruck auf seinem runden Gesicht
lag.
    Mir hatte sein reichlich obszöner Ton bei dieser Unterredung
nicht gefallen, und als die Gruppe sich weiter durch die
Maschinen-Galerie in Richtung Kesselraum bewegte, ergriff ich die
Gelegenheit, ihn beiseite zu nehmen und ihm das zu sagen.
    Er runzelte die Stirn und hakte die Daumen hinter den Kummerbund.
»Ich entschuldige mich für jedwede Beleidigung, die ich
Euch zugefügt habe, Ned«, tat er in ziemlich heuchlerischem
Ton kund, »aber ich habe ein Ziel vor Augen.«
    »Als da wäre?« erkundigte ich mich kühl.
    »Überlegt doch mal, junger Freund«, murmelte
Holden. »Ich weiß ja, daß Ihr für die reizende
Miss Michelet schwärmt, aber Ihr müßt schon zugeben,
daß sie eine merkwürdige Salonschönheit ist. Wieviele
Mädchen ihres Alters würden wohl durch einen stinkenden
Maschinenraum streifen? Und wieviele verfügen über solche
Kenntnisse in Maschinenbau… ganz zu schweigen vom
Verständnis der politischen und militärischen Lage? Da
steckt mehr in unserer Mademoiselle Françoise,

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