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Anti-Eis

Anti-Eis

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als sich dem
Auge erschließt… und ich würde gern wissen, was das
ist.«
    Ich spürte, daß ich mich im Verlauf dieser Unterhaltung
etwas von Holden distanzierte. Er hatte sich während dieser
letzten paar Tage als amüsanter und informativer Begleiter
erwiesen und seine Menschenkenntnis stand außer Frage; aber
sein Zynismus, sein ständiges Stochern unter der Oberfläche
von Ereignissen und Menschen – ganz zu schweigen von ziemlich
seltsamen Anwandlungen eines extremen Patriotismus, der von Zeit zu
Zeit bei ihm durchbrach – wirkten mehr als nur etwas irritierend
auf mich.
    Vielleicht hatte es ja auch mit seiner Profession als Journalist
zu tun.
    Ich erklärte ihm, daß ich nicht zu denen gehörte,
die Frauen per se die Fähigkeit zum rationalen und sachlichen
Denken absprachen; er lachte, entschuldigte sich höflich, und
damit war die Sache erledigt.
    Der Kesselraum war einer von dreien an Bord der Prince Albert; es gab einen Kesselraum pro Achse, und jeder verfügte
über zwei Kessel.
    Jeder Kessel war ein mehr als doppelt mannshoher eiserner
Behälter und breiter als drei Menschen mit ausgebreiteten Armen;
als wir uns dem nächsten Kessel näherten, sah ich,
daß er mit Luken und Schalttafeln übersät war und
daß ein zwei Fuß durchmessendes Rohr von seiner
Oberfläche ausging und durch die Decke dieser Kammer
stieß, gut dreißig Fuß über uns. Meterlange
Kupfer- und Eisenröhren schlängelten sich wie Eingeweide um
jeden Schornstein und verliefen unter der Decke und an den oberen
Wandabschnitten des Kesselraumes; so hatte ich, wenn das Inventar des
Maschinenraumes mich zuvor an die Gliedmaßen gigantischer
Athleten erinnert hatte, nun den Eindruck, mich direkt in den
Körpern dieser Riesen zu befinden.
    Die Hitze an diesem Ort war beträchtlich; ich spürte,
daß der Kragen durchweichte und hoffte nur, daß mein
Erscheinungsbild sich nicht allzu schnell verschlechterte. Es wollte
mir nicht in den Kopf gehen, wie jemand überhaupt für
längere Zeit unter solchen Bedingungen arbeiten konnte. Von
etwas verschüttetem Öl abgesehen gab es jedoch nicht den
Schmutz und Dreck, den man normalerweise mit einem Kesselraum
assoziiert; die runden Bäuche der Kessel glänzten in fast
herbstlichen Farben, und die polierten Röhren reflektierten das
Licht auf fast ästhetische Weise.
    Dever kletterte auf einen ramponierten Holzstuhl und öffnete
eine vielleicht acht Fuß über dem Boden liegende
Inspektionsluke; einer nach dem anderen stellten wir uns auf den
Stuhl und schauten ins Innere. Als ich an der Reihe war,
erspähte ich ein Nest aus weiteren Messing-, Kupfer- und
Eisenröhren. Diese Röhren leiteten hocherhitzten Dampf aus
dem Kessel zu den Kolben. Wenn dieses Fahrzeug ein Ozeandampfer
gewesen wäre, hätte man Meerwasser verwendet; aber die Albert mußte ihren eigenen Vorrat transportieren, in
großen Tanks mit einem Fassungsvermögen von mehreren
Millionen Gallonen. Ein Großteil des Wassers zirkulierte dabei
durch das gediegene Schwimmbecken auf dem Promenadendeck!
    Dever setzte uns genüßlich davon in Kenntnis,
daß, sollten wir eine der Röhren berühren, das
Fleisch mit etlicher Gewißheit daran haften bleiben und
gebraten würde und sich von den Knochen löste wie ein
Handschuh von den Fingern…
    Ich ignorierte diesen hanebüchenen Unsinn und assistierte
Françoise beim Erklimmen des Stuhles. Ich musterte ihre
Begleiter – und sogar den armen Holden – so streng, als ob
ich sie daran hindern wollte, einen Blick auf Mlle. Michelets
Knöchel oder Waden zu werfen.
    Als wir die Besichtigung der Röhren beendet hatten, wandte
Françoise sich an Dever. »Das Anti-Eis«, insistierte
sie, wobei tiefer Enthusiasmus in ihrer Stimme mitschwang. »Ihr
müßt uns das Anti-Eis zeigen.«
    Dever griff nach einem ungefähr in Kopfhöhe in den
Kessel eingelassenen Wartungsluk, und – in einer für ihn
untypischen Showeinlage – riß er es so weit auf, daß
es gegen die eiserne Wand des Kessels knallte, und registrierte
unsere Reaktionen mit einem ansatzweisen Grinsen.
    Konsterniert traten wir geschlossen zurück. Denn inmitten der
höllischen Hitze des Kesselraumes war die von Dever
geöffnete Kammer mit dem Frost und Eis des Winters
angefüllt!
    Françoise redete leise in ihrer Muttersprache und neigte
den schönen Kopf, um einen Blick in diesen Eisschrank zu
erhaschen. Sie ließ zu, daß Dever seinen
unverständlichen Unsinn in ihr zartes Ohr murmelte, und dann
wandte sie sich dem Rest von uns zu. »Im

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