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Anti-Eis

Anti-Eis

Titel: Anti-Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
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vermute, daß wir Euren
preußischen Kollegen heute nicht begegnen werden, Mr.
Vicars?«
    Damit hatte ich nicht gerechnet; ich merkte, daß sich mein
Mund öffnete und schloß. »Äh…«
    Françoise musterte mich mit einem Anflug von
Mißbilligung. »Ihr seid doch sicherlich über den
Fortgang des Krieges informiert, Mr. Vicars?«
    Holden kam mir zu Hilfe. »Als wir England verließen,
waren die Nachrichten noch gut. Die Marschälle Bazaine und
MacMahon schienen den Preußen einen guten Kampf zu
liefern.«
    »Ich fürchte, daß die Lage sich verschlechtert
hat, Sir«, sagte Bourne. »Bazaine mußte sich aus
Forbach-Spicheren zurückziehen und setzt sich nach Metz ab,
während MacMahon auf Chalons-sur-Marne
marschiert…«
    »Ihr solltet den Ernst der Lage nicht verschleiern,
Frédéric«, wies Françoise ihn scharf
zurecht. Ich sah, wie der feine Haarflaum auf ihrem Nacken sich im
Sonnenlicht bewegte. Sie wandte sich Holden zu. »MacMahon wurde
bei Wörth geschlagen. Er hat zwanzigtausend Mann
verloren.«
    Holden stieß einen Pfiff aus. »Mam’selle, ich
muß sagen, daß Eure Nachrichten mich schockieren. Ich
hatte eigentlich angenommen, daß die kampferprobten
französischen Armeen sich besser gegen die preußischen
Haufen behaupten würden.«
    Ein heftiges Stirnrunzeln erschien auf ihrem schönen Gesicht.
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß wir noch einmal den
Fehler begehen, sie zu unterschätzen.«
    Holden rieb sich das Kinn. »Ich vermute, daß die
Kontroverse in Manchester nun immer heftiger werden wird.«
    »Kontroverse?« fragte ich.
    »Ob Britannien in diese Auseinandersetzung eingreifen sollte.
Der Sache ein Ende bereiten – diesem mittelalterlichen Hickhack
und aristokratischen Imponiergehabe.«
    Françoise versteifte sich; ihre wohlgeformte Nase bebte.
»Sir, Frankreich würde eine Intervention der Briten nicht
billigen. Die Franzosen können und werden Frankreich allein
verteidigen. Und dieser Krieg ist nicht verloren, solange auch nur
ein Franzose noch ein Gewehr tragen kann.«
    Ihre Worte, in einem ruhigen, fließenden Ton vorgetragen,
waren hart – und, wie ich plötzlich durch meine romantische
Brille erkannte, völlig untypisch für eine junge
Schönheit ihrer Gesellschaftsschicht. Ich verspürte das
unbehagliche Gefühl, daß ich noch viel lernen mußte
über Mlle. Michelet, und meine Zuversicht schwand.
    »Nun«, fragte ich, »wollt Ihr auch den Großen
Salon aufsuchen, Mam’selle? Wie ich höre, fließt
bereits der Champagner…«
    »Gütiger Gott, nein.« Mit einem Spitzenhandschuh
kaschierte sie ein gekünsteltes Gähnen. »Wenn ich
verspiegelte Wände und Arabesken betrachten will, kann ich das
auch in Paris tun. Wir werden uns unter der Führung des
Schiffsingenieurs den Maschinen- und Kesselraum ansehen, Mr.
Vicars.«
    Holden lachte; offensichtlich hatte ihm der Vorgang Spaß
gemacht.
    »Das ist eine einmalige Gelegenheit«, erklärte
Françoise mir kühl. »Möchtet Ihr uns nicht
begleiten, Mr. Vicars? – Oder ist die Verlockung des Champagners
zu stark für Euch?«
    Bourne kicherte unangenehm.
    Und so hatte ich keine Wahl. »Zum Kesselraum!« rief ich.
Eine große, in die Schiffswandung gefräste Luke befand
sich am oberen Ende des Aufgangs, und wir drangen – nicht ohne
eine gewisse Ängstlichkeit, zumindest von meiner Seite – in
die dunklen Tiefen des Schiffes ein.
     
    Bei unserem Führer handelte es sich um einen gewissen Jack
Dever, einen Ingenieur der James Watt Company, welche die Maschinen
des Schiffes geliefert hatte. Dever war ein schmalgesichtiger,
düster dreinblickender junger Mann, der in einen
ölverschmierten Overall gekleidet war. Sein schütteres Haar
war zurückgekämmt und klebte am Kopf, so daß ich mich
beiläufig fragte, ob er wohl Maschinenöl als Pomade
verwendet hatte.
    Mit allen Anzeichen der Ungeduld und Gereiztheit führte Dever
uns in Einerreihe über einen von einer Eisenwand begrenzten
Korridor ins Innere des Schiffs.
    Wir stiegen in eine riesige Kammer hinab, deren Wände aus
blankem Eisen bestanden. Es handelte sich hierbei um den
Maschinenraum, wie unser Führer widerwillig erklärte; er
war einer von dreien – je ein Maschinenraum pro Fahrzeugachse
–, und er füllte das Schiff auf ganzer Breite aus. Ein Paar
doppelt mannshoher eiserner Träger verlief quer durch den Raum,
und auf diesen Trägern waren Schwingungsmaschinen montiert
– jetzt noch im Stillstand befindliche Kolbenkraftmaschinen, aus
denen glänzendes Öl austrat. Die Kolben

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