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Anti-Eis

Anti-Eis

Titel: Anti-Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
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mit diesen Händen, die seit dreißig
Jahren keine tödlichere Waffe als einen Bleistift geführt
haben.«
    Ich runzelte die Stirn, etwas konsterniert durch diesen
Wutausbruch. »Holden, wie lange habe ich geschlafen? Welches
Datum haben wir heute?«
    »Nach Auskunft von Travellers Instrumenten ist heute der
zweiundzwanzigste August. Ihr habt also eine ganze Woche lang
geschlafen.«
    »Ich… Mein Gott.« Im noch anhaltenden Zustand der
Betäubung versuchte ich vergeblich die Strecke zu ermitteln, die
ich in dieser Zeit von der Erde zurückgelegt hatte, aber
aufgrund der Unfähigkeit, in meinem trüben Zustand zu
sagen, ob der Tag nun vierundzwanzig oder sechzig Stunden hatte, gab
ich dieses Vorhaben auf. »Und der Saboteur, Holden; der Kerl
namens Bourne. Was ist mit ihm? Hat er das Bewußtsein
wiedererlangt?«
    Holden schnaufte. »Ja. Wollte, es hätte ihn erwischt.
Statt dessen hat er sich jedoch schneller von der durch den
Sauerstoffmangel verursachten Bewußtlosigkeit erholt als
ihr.« Er drehte sich um und deutete auf die an der
gegenüberliegenden Wand ausgeklappte Pritsche, wo ich ein
formloses Bündel ziemlich schmutziger Decken ausmachen konnte.
»Da liegt diese Ratte«, sagte Holden bitter, »und
überlebt in einem Schiff, das er sonst für uns alle in
einen Aluminiumsarg verwandelt hätte.«
    Holden leistete mir noch eine Weile Gesellschaft, aber dann
übermannte mich erneut die Müdigkeit; ich entschuldigte
mich bei dem Journalisten, legte mich mit Pockets Unterstützung
auf die Pritsche und schloß für ein paar Stunden die
Augen.
     
    Als ich erwachte, war die Raucherkabine verlassen, mit Ausnahme
von Pocket, mir selbst – und dem amorphen Bündel auf der
anderen Pritsche. Ich bat Pocket um etwas Tee; als ich mich erfrischt
hatte, erhob ich mich von der Liege. Nachdem ich so viel Zeit im Bett
verbracht hatte, fürchtete ich schon, die Beine würden
unter mir einknicken, und wenn wir uns auf der Erde befunden
hätten, wäre das vielleicht auch der Fall gewesen; hier in
der angenehmen Schwerelosigkeit des Weltraumes fühlte ich mich
jedoch so kräftig wie immer, und ich flog zuversichtlich durch
die Kabine.
    Ich schwebte über Bourne. Der Franzose hatte den Blick auf
die Wand gerichtet – wie ich sah, waren seine Augen
geöffnet –, und als sich mein Schatten über ihn legte,
wandte er sich um und schaute zu mir hoch. Er hatte kaum noch
Ähnlichkeit mit Françoise Michelets affektiertem,
arrogantem Begleiter, als der er vor wenigen Tagen noch aufgetreten
war. Sein ohnehin schon schmales Gesicht wirkte jetzt wie ein
Totenkopf – die Wangenknochen stachen scharf hervor – und
auf dem Kinn kräuselte sich ein struppiger Bart. Die
Überreste seines Designeranzuges – das rote Jacket und die
karierte Weste – waren nun fleckig und zerknittert, wobei die
schrillen Farbtöne das traurige Bild des Burschen nur noch
verstärkten.
    Wir sahen uns einige Sekunden lang an. »Ich vermute,
daß Ihr nun das beenden wollt, was Ihr begonnen habt, Monsieur
Vicars«, sagte er schließlich.
    »Was meint Ihr damit?«
    »Daß Ihr vorhabt, mich zu töten.« Er
konstatierte das ohne jede Emotion, als ob er über das Wetter
gesprochen hätte, und sah mich weiterhin unverwandt an.
    Ich runzelte die Stirn und sondierte meine Gefühle. Hier, so
erinnerte ich mich, lag der Mann, der Travellers Prototyp
entführt hatte; der mich und meine drei Gefährten
eingesperrt und in den interplanetarischen Raum geschleudert hatte,
was sehr wahrscheinlich unseren Tod zur Folge gehabt hätte; der
unmittelbar für den Tod vieler unschuldiger Zuschauer beim Start
der Phaeton verantwortlich war; und der ohne Zweifel auch an
der Verschwörung zur Sabotage der Prince Albert beteiligt
gewesen war und dadurch das Leben von vielleicht noch einmal mehreren
hundert Menschen auf dem Gewissen hatte – darunter
möglicherweise auch das von Françoise Michelet, des
Mädchens, an das ich mein törichtes Herz verloren hatte.
»Ich hätte allen Grund, Euch zu töten«, sagte ich
leise. »Ich habe allen Grund, Euch zu hassen.«
    Er schaute mich furchtlos an. »Und werdet Ihr es
tun?«
    Ich befragte mein Herz und betrachtete Bournes hageres, leidendes
Gesicht. »Ich weiß nicht«, sagte ich offen. »Ich
muß noch darüber nachdenken.«
    Er nickte. »Nun«, meinte er spröde, »ich
glaube, daß Euer Kamerad Eure Mildtätigkeit nicht
teilt.«
    »Wer? Traveller?«
    »Der Ingenieur? Nein. Der andere; der Dicke.«
    »Holden? Er hat Euch bedroht?«
    Bourne lachte

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