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Anti-Eis

Anti-Eis

Titel: Anti-Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
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Ich hoffe, daß unser Aufenthalt
hier, sofern der Herr uns die Landung überstehen
läßt, sich auf ein paar Stunden beschränkt; doch
selbst diese Zeitspanne in der gnadenlosen Glut der Sonne würde
schon ausreichen, um unser fragiles Schiff schnell verglühen zu
lassen. Und in der Mondnacht würden wir zu Eis gefrieren. Nein;
unsere einzige Hoffnung besteht darin, daß ich uns mit einem
Teil der Hülle im Schatten und mit dem Rest im Sonnenlicht
plaziere, so daß wir ein Gleichgewicht zwischen Feuer und Eis
herstellen.«
    Wir sanken auf die Mondlandschaft hinab. Zertrümmerte Berge
erhoben sich um uns herum, und von den Raketendüsen
aufgewirbelte Staubwölkchen stoben unter uns dahin.
    Allmählich glaubte ich, daß ich diesen Vorgang
vielleicht doch überleben könne.
    Das Geräusch der Raketen, das bisher ein stetiges, tiefes
Röhren gewesen war, erstarb nun mit einem spotzenden Husten. In
wilder Hoffnung wandte ich mich um. Waren wir gelandet? Dann starrte
ich auf die Füße, denn zu meinem Entsetzen hoben sie
wieder vom Deck ab. »Traveller!« schrie ich. »Ich
schwebe wieder!«
    »Wir haben keinen Treibstoff mehr, Ned«, sagte er ruhig.
»Wir befinden uns im freien Fall auf die Mondoberfläche.
Ich habe mein Bestes getan; jetzt können wir nur noch
beten.«
    Die Mondlandschaft raste auf uns zu und drehte sich.
    Tausend Fragen rasten durch mein Hirn. Wie weit waren wir noch von
der Oberfläche entfernt, als die Motoren ausgesetzt hatten? Und
wie schnell würden wir beim Sturz durch die geringe Schwerkraft
des Mondes beschleunigen? Welches Aufschlagsmoment konnte die Phaeton absorbieren, bevor sie wie ein Ei aufplatzte und uns
alle, warm und weich und hilflos, auf die grausamen Mondfelsen
schleuderte?
    Metall mahlte auf Felsen.
    Ich wurde erneut auf das Deck geschleudert. Ich hörte das
Splittern von Glas, das Reißen von Tuch und Leder. Das Deck
neigte sich in einem verrückten Winkel, und ich rutschte ein
paar Fuß auf ihm entlang, bis ich schließlich gegen eine
Instrumentenkonsole prallte. Dann nahm das Deck wieder eine
horizontale Position ein. Ich drückte das Gesicht auf den
genieteten Boden und wartete auf den Moment, in dem die Hülle
aufplatzte und die Luft für immer aus meiner Lunge gesogen
wurde…
    Aber der Lärm unseres Aufpralls ebbte ab; das Schiff senkte
sich noch etwas tiefer in die Felsenwiege, die es für sich
gegraben hatte. Eine tiefe Stille legte sich über das
Gefährt. Aber es gab keinen Luftzug, kein weiteres Reißen
von Metall; ich war noch am Leben und atmete so unbeschwert, wie ich
es immer schon getan hatte.
    Ich kam langsam auf die Füße, wobei ich die geringe
Gravitation des Mondes berücksichtigte. Traveller stand auf
seinem Sessel, wobei sich die gelösten Gurte um die
Füße geschlungen hatten; mit in die Seiten gestemmten
Armen und salopp aufgesetztem Zylinder schaute er nach draußen
auf seine neue Umwelt.
    Ich kletterte zu ihm hinauf, ohne mich dabei
übermäßig anzustrengen; wie ich sah, war sein Rock am
Rücken aufgerissen, und Blut tröpfelte stetig aus einer
Schnittwunde an der Schläfe über die Wange.
    Wir waren inmitten einer Felsenstadt gelandet. Schatten flohen vor
einer Sonne, die sich teilweise hinter einem entfernten Gipfel
verbarg. Der Platz war luftleer, öde, absolut lebensfeindlich
für Menschen – und dennoch hatten wir ihn erobert.
    »Gütiger Gott, Traveller, Ihr habt uns auf dem Mond
gelandet. Ich könnte Euer Talent als Pilot und Euren Genius als
Ingenieur loben – aber sicherlich ist es Eure schiere
Nervenstärke, Eure kühne Vision, die alles andere
überstrahlt.«
    Er grunzte abschätzig. »Schöne Reden sind etwas
für Beerdigungen, Ned. Ihr und ich sind quicklebendig, und wir
müssen eine Arbeit erledigen.« Er zeigte auf die Sonne.
»Noch sechs bis acht Stunden, würde ich sagen, und die
Sonne wird ganz hinter diesem Turm verschwunden sein und für
ganze vierzehn Tage nicht wieder zum Vorschein kommen; und wir werden
langsam, aber sicher zu Eis erstarren. Wir brauchen Wasser, Ned; und
je früher wir rausgehen und es besorgen, desto schneller kann
Pocket uns eine schöne Kanne Tee aufsetzen, und dann können
wir zu Mutter Erde zurückfliegen!«
    Trotz der schwachen Gravitation hatte ich das Gefühl zu
fallen, so schwach war jedes einzelne meiner Gelenke geworden. Denn
wieder einmal hatte Traveller auf eine Art vorausgedacht, 2u der ich
nicht fähig war. Selbst wenn das wertvolle Wasser gleich
eimerweise direkt hinter diesen Felsen lag, würde

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