Anti-Eis
zunehmender Höhe der
Pfeiler verlangsamte sich ihr Wachstum, bis sie es schließlich
bei einer Höhe von hundert Fuß ganz einstellten. Ich hatte
es nur der Gnade Gottes zu verdanken, daß die
Luftschläuche durch den Wuchs dieser mineralischen Flora nicht
beschädigt oder ganz aufgerissen worden waren.
Der Boden erzitterte, als ob in der Ferne Explosionen
stattfänden, und ich begab mich nun an eine Inspektion der
übrigen Landschaft. Wie Felsblumen sprossen Säulen um alle
Hügel, welche diese Trümmerlandschaft bedeckten; als ich
den beschlagenen Helm nach hinten neigte, konnte ich sehen, daß
manche von ihnen in Höhen aufragten, welche die bescheidenen
hundert Fuß der die Phaeton umzingelnden Säulen
weit übertrafen: Die höchste, die vielleicht eine halbe
Meile entfernt war, mußte sich volle tausend Fuß in den
Himmel recken. Die Säulen waren so glatt, als ob sie von einem
begnadeten Steinmetz bearbeitet worden wären, aber ihre
mineralischen Bestandteile blieben ein Geheimnis.
Dieser wuchernde Wuchs auf der ganzen Ebene, der in gespenstischer
Stille ablief, gemahnte mich zwingend an werdendes Leben; vielleicht
handelte es sich bei den Säulen um Analogien zu Pflanzen, die in
Wüstenregionen vorkommen und beim kleinsten Regentröpfchen
in die Höhe schießen. Aber dennoch fragte ich mich, welche
Lebensform das wohl war, die solche monströsen Statuen gebar,
und noch dazu mit einer derartigen Schnelligkeit.
Schließlich erreichten die Säulen ihre Gipfelhöhe;
und die Stille der nun von parallelen Schatten überzogenen Ebene
wurde nur durch einen feinen Regen aus Staub und Kieselsteinen
unterbrochen.
Ich verharrte kurze Zeit an meiner Position, wobei das Blut in den
Schläfen pulsierte, und ich fragte mich, ob ich es wagen
könne, zur Phaeton zurückzukehren.
Dann, während ich noch zögerte, wurde die nächste
Phase eingeleitet.
Der größte Hügel mit seiner Höhe von
fünfzig Fuß war der erste. Kleine Felsen und Felsplatten
explodierten am Fuße des Hügels. Die Kuppe schüttelte
sich, und Erschütterungen jagten durch den felsigen Grund unter
meinen Füßen; und mir kam es so vor, als ob ein riesiges
Tier danach strebte, aus seinem unterirdischen Gefängnis
auszubrechen.
Dann realisierte ich mit einem erneuten Schock, daß dieser
Eindruck absolut zutreffend war; denn der gesamte Hügel erhob
sich nun von der Mondoberfläche und fuhr auf seinem Bündel
aus Säulen himmelwärts. Ich stand völlig perplex da
und konnte kaum der Wahrnehmung meiner Sinne glauben. Nun löste
sich der ›Hügel‹ vom Boden, und ich sah, daß
sein kuppelförmiges Profil auf der Unterseite ein
komplementäres Gegenstück aufwies, so daß das ganze
Gebilde die Form einer Steinlinse annahm. Die Unterseite der Linse
war indessen vernarbt und rissig. Faustgroße Felsbrocken
splitterten vom scharfen Rand der Linse ab, die an den
Stützpfeilern entlangschabte.
Mit zunehmender Höhe beschleunigte die Linse und erreichte
dabei eine Geschwindigkeit, die angesichts ihrer Masse von vielen
tausend Tonnen schier unglaublich war. Bald stand sie weit über
mir und stieg noch immer in dem Kreis aus tausend Fuß hohen
Säulen aufwärts.
Aber das war erst der Anfang: Bald stiegen überall in der
Ebene die Hügel auf und verwandelten sich in Linsen, und jetzt
mußte ich das Faktum begrüßen, daß der Mond
über keine Atmosphäre verfügte, denn wenn eine
existiert und somit den Schall geleitet hätte, dann wären
vom Lärm dieser immensen Startvorgänge sofort meine
Trommelfelle zerfetzt worden.
Dann wurde der Kopf durch einen Zug am Luftschlauch
zurückgerissen, und ich fiel zappelnd zu Boden. Ich drehte mich
im Liegen schnell um und schaute auf den Hügel der Phaeton, der sich zusammen mit seinen Kameraden in den Himmel erhob, wobei
er das Schiff huckepack mitnahm.
Der Eisbeutel schlug mir ins Kreuz, als ich mich wieder
aufrappelte und dabei mit den Handschuhen über die Felsen
schabte. Ich stand nun da, wo zuvor die Basis des Hügels der Phaeton gewesen war – jetzt bildete sie den Rand eines
flachen Kraters –, und ich schaute verzweifelt nach oben. Die
Linse befand sich bereits zehn Fuß über mir, beschleunigte
und nahm das Schiff sowie all meine Hoffnungen mit. In wenigen
Sekunden mußte sich der Luftschlauch straffen. Vielleicht
würde ich dann wie eine Marionette mit hilflos baumelnden Beinen
in die Höhe gezerrt werden; oder vielleicht riß der
Schlauch auch sofort und ließ meine wertvolle Luft im Vakuum
des Mondes
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