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Anti-Eis

Anti-Eis

Titel: Anti-Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
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versteckten
Köhlereien.
    Ich schaute hinab und fragte mich, wie ich wohl den Boden
erreichen sollte – und sah in das breite, rosige Gesicht eines
Farmers. Er trug einen verschlissenen, aber respektablen Tweed-Anzug,
lehmverschmierte Gummistiefel und einen Strohhut; und er führte
eine große Heugabel mit sich, die er in Verteidigungsstellung
vor sich hielt. Während er unser unglaubliches Schiff anstarrte,
stand sein Mund offen und enthüllte schlechte Zähne.
    Verstohlen korrigierte ich den Sitz meiner Krawatte und winkte ihm
zu. »Guten Tag, Sir.«
    Er stolperte drei Schritte zurück, richtete die Heugabel auf
mich, und der Kiefer sackte noch weiter hinab.
    Ich hob die Hände und setzte mein gewinnendstes Lächeln
auf. »Sir, wir sind Engländer; Ihr braucht keine Angst zu
haben, trotz der ungewöhnlichen Art unseres Erscheinens.«
Ich mußte vorsichtig sein. »Ihr habt sicher schon von uns
gehört. Ich gehöre zu der Gesellschaft von Sir Josiah
Traveller, und das ist die Phaeton.«
    Ich verstummte, wobei ich eine sofortige Identifizierung erwartete
– seit unserem Verschwinden waren wir doch sicher Gegenstand von
Spekulationen der Presse gewesen –, aber der gute Landmann
blickte nur grimmig und stieß eine Silbe aus, die ich als
»Wer?« interpretierte.
    Ich begann es ihm zu erklären, aber die Worte klangen selbst
für meine Ohren phantastisch, und der Farmer runzelte nur in
zunehmendem Mißtrauen die Stirn. So gab ich es
schließlich auf. »Sir, laßt mich folgende Tatsache
betonen: Daß wir vier Engländer und ein Franzose sind und
dringend Eurer Hilfe bedürfen. Trotz meiner Jugend und
Gesundheit kann ich nicht einmal mein eigenes Gewicht tragen, dank
der erstaunlichen Erlebnisse, die hinter mir liegen. Ich frage Euch
daher, von Christ zu Christ, ob Ihr uns die Hilfe gewähren
werdet, auf die wir angewiesen sind.«
    Das puterrote Gesicht des Farmers war ein einziger Ausdruck des
Mißtrauens. Aber dann, nachdem er etwas von den mehreren Morgen
Ackerlandes gemurmelt hatte, die wir brandgerodet hätten,
ließ er die Mistgabel sinken und näherte sich dem
Schiff.
    Der Name des Farmers war Clay Lubbock.
    Lubbock mußte noch zwei seiner stärksten Leute
anfordern, um uns aus dem Schiff zu holen. Sie verwendeten
Seilschlingen und reichten uns auf diese Weise von einem Paar
kräftiger Arme zum nächsten weiter. Dann wurden wir auf
einen Ochsenkarren geladen, in Decken gehüllt und über den
Acker zum Bauernhaus gefahren. Traveller, dessen Stimme durch das
Rütteln des Karrens verzerrt wurde, kam auf die Ironie unseres
schnellen Abstieges durch die Schichten der Technik zu sprechen; aber
sein Erscheinungsbild – dünn, gebrechlich und
leichenblaß – straften seine spaßigen Worte
Lügen, und niemand von uns ging weiter darauf ein.
    Die Landeier starrten in stummer Faszination auf Travellers
Platinnase.
    Im Bauernhaus wurden wir von Mrs. Lubbock begrüßt,
einer rustikalen, grauhaarigen Frau mit kräftigen, behaarten
Unterarmen; ohne sich nach unserem Befinden zu erkundigen oder
sonstige Fragen zu stellen, überprüfte sie unseren Zustand
mit dem geschulten Auge eines Viehhändlers, und bald hatte sie
uns trotz des Protestes von Traveller dick eingemummt vor einem
knisternden Feuer plaziert und flößte uns kräftige
Hühnerbrühe ein. Lubbock ritt derweil auf seinem
schnellsten Pferd in die Stadt, um die Kunde von unserer
Rückkehr zu verbreiten.
    Traveller protestierte gegen diese Bemutterung und sagte,
daß er kein Invalide sei und Arbeit zu erledigen hätte. Er
wollte dringend eine Telegraphenstation aufsuchen, um den
Rücktransport der verschrammten Phaeton zu seinem Haus in
Surrey zu veranlassen. Holden beruhigte ihn. »Ich möchte
auch so schnell wie möglich wieder in die Zivilisation
zurückkehren«, sagte er. »Bedenkt, ich bin Journalist.
Meine Zeitung und auch andere Blätter würden es mir
großzügig honorieren, wenn ich unsere Erlebnisse in
Gestalt einer spannenden Erzählung veröffentliche. Aber,
Sir Josiah, ich weiß auch, daß ich im Moment
geschwächt bin. Sobald unsere Rückkehr sich herumgesprochen
hat, werden wir keinen Augenblick Ruhe mehr haben. Ich habe eine
Tortur hinter mir, die in der Menschheitsgeschichte ohnegleichen ist,
und bin kaum mehr imstande, einen Löffel Suppe zum Mund zu
führen und würde daher die Gelegenheit begrüßen,
für einige Stunden die erholsame Gastfreundschaft von Mrs.
Lubbock zu genießen. Und das solltet Ihr ebenfalls tun, Sir
Josiah!«
    Traveller

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