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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Österreich annektieren wollte. Er schuf die Einheitspartei Vaterländische Front und regierte per Dekret. Am 3. April 1933 schrieb Freud an Max Eitington in Berlin: »Unsere politische Lage versteht hier niemand, man hält es nicht für wahrscheinlich, daß die Entwicklung ähnlich sein wird wie bei Ihnen, das Leben verläuft hier ungestört bis auf Umzüge, welche die Polizei beschäftigen.« (Freud/Eitingon, Briefwechsel, S. 851)
    Am 12. Februar 1934 wurde ein Arbeiteraufstand in Wien von der Armee blutig niedergeschlagen; es gab zwischen 1500 und 2000 Tote sowie 5000 Verletzte. Freud zeigte sich von diesem Massaker nicht berührt. Bei dem sechunddreißigstündigen Kampf standen mit Maschinenpistolen bewaffnete Sozialdemokraten der Artillerie gegenüber. Eine Eisenbahnbrücke wurde gesprengt, um einen gepanzerten Zug aufzuhalten, mit dessen Hilfe der Aufstand niedergeschlagen werden sollte. Dollfuß’ Soldaten setzten Giftgas und Kampfflugzeuge ein. Die Niederschlagung war grauenvoll; die anschließenden Sammelurteile lauteten fast immer auf Tod. Viele Arbeiter wurden erhängt. In einem Brief an Hilda Doolittle vom 5. März 1934 erzählte Freud, die Bolschewiken seien niedergeschlagen worden – obwohl es doch eigentlich die Sozialdemokraten waren – und dies störe ihn nicht, weil von dieser Seite des politischen Spektrums ohnehin nichts Gutes zu erwarten gewesen sei.
    Was sagten die Biographen zu derart klaren Positionierungen? Den Namen Dollfuß sucht man in Jones’ Monumentalwerk vergeblich. Peter Gay sprach gar von Freuds »Neutralität« (Gay, Freud – Eine Biographie, S. 668)! Die unlängst erschienene Biographie
von Gérard Huber, Si c’était Freud erkennt immerhin an, dass »Freud vor dem spezifischen und autochthonen Faschismus des österreichischen Kanzlers den Rücken rund« (S. 768) machte. Auch in Paul Roazens Buch Politik und Gesellschaft bei Sigmund Freud wird – ungeachtet des Titels – der Name des faschistischen Diktators kein einziges Mal erwähnt.
     
    Paula Fichtls Erinnerungen wären mit Vorsicht zu genießen, würden sie nicht von zwei Briefen gestützt, die Freud 1933 und 1934 verschickte. Sie belegen, dass die Polizeiaktionen auf den Wiener Straßen Freud gleichgültig waren, denn er schrieb, das Leben verliefe ruhig und ungestört, als sei die brutale Niederschlagung der Sozialdemokraten nicht so schlimm, verhinderte sie doch etwas noch Schlimmeres, nämlich ein bolschewistisches Regime. Und das, obwohl die Geschichte beweist, dass die Sozialdemokraten ein Bollwerk gegen den Marxismus-Leninismus gebildet hätten.
     
    Zu Freuds kleinen, verstreuten Publikationen gehörten nicht nur die Briefe, sondern auch andere von ihm unterzeichnete kleine Texte. So auch eine hymnische Widmung an – Benito Mussolini! Hier sind die Fakten: Eduardo Weiss, ein Psychiater, der in Wien studiert hatte und in den 1920er Jahren der einzige Psychoanalytiker in Italien war, hatte dort eine psychoanalytische Gesellschaft und eine Zeitschrift gegründet. Er war also der italienische Psychoanalytiker seiner Zeit. 1933 gelang ihm die Analyse einer Patientin nicht, und er bat Freud, sie ihm vorstellen zu dürfen. Gemeinsam mit ihr und ihrem Vater kam er nach Wien.
    Der Vater des jungen Mädchens war ein Freund Mussolinis. Er bat Freud um ein von ihm signiertes Buch als Geschenk für den Duce. Freud war zu diesem Zeitpunkt siebenundsiebzig Jahre alt und international bekannt. Er hätte Nein sagen können, doch er sagte Ja. Nun hatte er noch die Wahl zwischen dem Buch, das er als sein Meisterwerk betrachtete – Die Traumdeutung  – und leichter zu lesenden Texten wie Die Psychopathologie des Alltagslebens
oder Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten; Das Ich und das Es oder Jenseits des Lustprinzips wären wohl zu technisch gewesen. Freud wählte Warum Krieg? und schrieb eine Widmung hinein: »Für Benito Mussolini, mit dem respektvollen Gruß eines alten Mannes, der im Führer einen Helden der Kultur sieht. Wien, 26. April 1933.« Dann unterschrieb er.
    Wer war Benito Mussolini im April 1933? Er unterstützte den faschistischen Kanzler Dollfuß. Als Diktator regierte er Italien seit elf Jahren mit eiserner Hand. Sein faschistisches Programm ähnelte demjenigen Dollfuß’. Er war mit einer Einheitspartei an der Regierung, unterdrückte die Opposition, machte Jagd auf die Linken, löste die anderen Parteien auf, pflegte einen extremen Nationalismus, verfolgte Gewerkschaftsmitglieder,

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