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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Aggressionslust, am Hass der Menschen aufeinander. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als auf den Helden der Kultur zu vertrauen, der diese dunklen Kräfte in die richtigen Bahnen lenkte. Mit anderen Worten: Wir müssen uns damit abfinden, dass es immer wieder Kriege geben wird.
    Warum Krieg? entstand im Auftrag des Völkerbundes, der sich einen Briefwechsel zwischen Einstein und Freud zu dieser Frage wünschte. Die Kritik übersieht häufig, dass der pazifistische Teil des Texts ausschließlich Einstein zu verdanken ist, der ein wahrer Pazifist war und sich aktiv für die Abrüstung einsetzte. Sein Gesprächspartner in dem Buch war Freud, dem diese nachgeordnete Rolle nicht besonders gefiel.
    Am 8. September 1932 schrieb er an Eitington (übrigens mit einem großartigen Lapsus!), er habe »die langweilige und sterile
sog. Diskussion mit [gestrichen Eitingon] Einstein (Sie finden hoffentlich nichts Herabsetzendes in dieser Ersetzung!)« beendet (Freud/Eitingon, Briefwechsel, S. 831). Den blinden Fleck im eigenen Auge hatte er immer noch nicht entdeckt und glaubte wohl, Eitington fühle sich durch die Verwechslung mit Einstein geschmeichelt – doch er schrieb dies bezogen auf einen Briefwechsel, den er wenige Zeilen zuvor als »Pensum« bezeichnet hatte.
    In einem Brief an Jeanne Lampl-de Groot vom 10. Februar 1933 äußerte sich Freud zu Einsteins pazifistischen Ansichten aus dem Briefwechsel. Es habe sich um »Sottisen« gehandelt. In Warum Krieg? muss man also zwei Register sorgfältig unterscheiden. Auf der einen Seite Einsteins klar pazifistischen Text, der sich eine staatenübergreifende Friedensorganisation wünschte, der den Wohlstand der Waffenhändler und die Kriegspropaganda der Staaten beklagte, der zwar um die aggressiven Charakterzüge des Menschen wusste, aber die Diktatoren dafür scholt, eine »Massenpsychose« (Einstein/Freud, Warum Krieg? (1972), S. 19) auszulösen, und der die »Verfolgung von nationalen Minderheiten« (ebd., S. 21) kritisierte. In Freuds Worten waren das »Sottisen«.
    Auf der anderen Seite stand Freud. Einstein stellte ihm klar und deutlich die Frage, ob es eine Möglichkeit gebe, die Menschen vom Krieg zu befreien. Die Antwort ließ lange auf sich warten; es folgten zunächst Überlegungen zu Gewalt, zu dem Recht des Stärkeren, zur Übertragung der Gewalt an eine höhere Autorität, also schlicht zu einem Gesellschaftsvertrag. Dann schrieb Freud, einige Kriege hätten »zur Umwandlung von Gewalt in Recht beigetragen, indem sie größere Einheiten herstellten, innerhalb deren nun die Möglichkeit der Gewaltanwendung aufgehört hatte und eine neue Rechtsordnung die Konflikte schlichtete.« ( Warum Krieg?, Bd. XVI, S. 17) Das ist wahrlich keine pazifistische Position. Die Unterdrückung von Konflikten durch die Staatsgewalt ersetzt zwar den Krieg, verhindert ihn aber nicht. Diese Zeilen hätten Mussolini bestimmt gefallen.

    Am Ende des Briefs bekam Einstein endlich seine Antwort: »Warum empören wir uns so sehr gegen den Krieg, Sie und ich und so viele andere, warum nehmen wir ihn nicht hin wie eine andere der vielen peinlichen Notlagen des Lebens? Er scheint doch naturgemäß, biologisch wohl begründet, praktisch kaum vermeidbar.« (ebd., S. 24) Und weiter: »Es ist fraglich, ob die Gemeinschaft nicht auch ein Recht auf das Leben des Einzelnen haben soll; man kann nicht alle Arten von Krieg in gleichem Maß verdammen; solange es Reiche und Nationen gibt, die zur rücksichtslosen Vernichtung anderer bereit sind, müssen diese anderen zum Krieg gerüstet sein.« (ebd., S. 25)
    Vernunft und Pragmatismus zwingen uns also zu dem Schluss, Krieg sei eine notwendige Grausamkeit, biologisch begründet und quasi unvermeidbar. Die Gemeinschaft habe Rechte über ihre Mitglieder; nicht jeder Krieg sei als solcher schlecht, man müsse ihn akzeptieren. Die Abrüstung sei utopisch, man müsse bewaffnet sein, weil die anderen es auch sind, also immer. Natürlich müsse man den Frieden anstreben, aber wer sollte für eine friedlichere Kultur eintreten? Freuds Lösung hätte Mussolini gewiss nicht missfallen: Er glaubte wirklich, eine Elite müsse die Massen anführen. Die Lösung für das Kriegsproblem war laut Freud also ein aristokratischer Elitismus, der die Massen zum Triebverzicht bringen sollte.
    Freuds politische Utopie erinnert bedauernswerterweise an die faschistische Programmatik, und man versteht nun, weshalb Freud Mussolini Warum Krieg? nicht als ironischer Diogenes widmete,

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