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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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schlechten Zustand gewesen sein: Sein treuer Schüler Ernest Jones, der Hagiograph, der stets darauf bedacht war, seinen Helden im besten Licht erscheinen zu lassen, und, Lehnsmann der er war, die Geschichte so verzerrte, dass sie stets mit der Legende übereinstimmte, vermerkte schwarz auf weiß, Freud habe zwischen 1890 und 1900 an einer »ausgesprochenen Psychoneurose« (Jones, Sigmund Freud – Leben und Werk, Bd. 1, S. 356) gelitten.
    In seinen Briefen sprach Freud zweimal (am 14. August und am 3. Oktober 1897) von seiner Hysterie: »genieße […] jetzt eine grantige Periode. Der Hauptpatient, der mich beschäftigt, bin ich selbst. Meine kleine, aber durch die Arbeit sehr gehobene Hysterie hat sich ein Stück weiter gelöst. Anderes steckt noch. Davon hängt meine Stimmung in erster Linie ab.« ( Briefe an Wilhelm Fließ, S. 281) Die wissenschaftliche Arbeit schien also die Neigung des Patienten zur Hysterie zu verstärken. Der freudschen
Selbstanalyse verdanken sich viele seiner Werke. Sie ist so zentral, weil der Autor selbst bekundet, dass die gesamte Disziplin auf ihr fußt. Doch paradoxerweise widmete Freud ihr nie einen eigenen Text. Wieso wurde dieses wichtige Element nirgendwo in dem umfangreichen Werk detaillierter untersucht?
    Einmal erklärte Freud, eine gute Selbstanalyse genüge, um Psychoanalytiker zu werden, vorausgesetzt man sei »nicht allzu abnorm« ( Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung, Bd. X, S. 59) oder neurotisch. Gleichzeitig schrieb er jedoch am 14. November 1897 an Fließ, er käme mit seiner Selbstanalyse nicht richtig voran, was letztlich normal sei, denn wäre sie tatsächlich möglich, gäbe es keine durch Verdrängung ausgelösten Krankheiten. 1922 kam die Internationale Psychoanalytische Vereinigung auf Vorschlag von Sándor Ferenczi zu dem Schluss, die Lösung bestünde in einer »didaktischen Analyse«, die bei einem anderen, seinerseits analysierten Analytiker stattzufinden habe. Nach dem Prinzip des aristotelischen unbegründeten Grundes funktionierte die Selbstanalyse nur bei dem Erfinder der Psychoanalyse und bei niemand anderem. Jeder sonst musste sich auf die Couch eines von Freud oder einem Freudianer offiziell anerkannten Kollegen begeben.
    Die genaue Datierung von Freuds Selbstanalyse ist historisch umstritten. Wann begann und wann endete sie? Fand sie regelmäßig statt oder gab es Unterbrechungen? Wenn ja, wie lange dauerten diese? Üblicherweise stellen Freuds Biographen die Selbstanalyse als Geniestreich, mutiges Unterfangen, besondere Begebenheit, heroischen Versuch, grandioses Ereignis oder ehrgeiziges Ziel dar. Die Adjektive wuchern, sobald es um diese ganz gewöhnliche Selbstbeobachtung geht, zu der doch schon alle antiken Philosophen der Stoa aufgerufen und sie zu einer wichtigen geistigen Übung innerhalb ihrer Disziplin erklärt hatten. Selbstdarstellung heißt ganz einfach: Darstellung, Beschreibung und Analyse des Selbst. Dass Jones hier von einem einzigartigen Unterfangen spricht, ist ganz und gar unbegründet.

    Man könnte sich gut vorstellen, dass die Phase der Selbstanalyse parallel zum Briefwechsel mit Fließ stattfand – von 1887 bis 1904. In dieser Zeit schickte Freud ungefähr alle zehn Tage einen Brief sowie regelmäßig umfangreiche Manuskripte an Fließ, darunter den Text Entwurf einer Psychologie (1895) . Tatsächlich könnte dieser intime Briefwechsel, in dem die Protagonisten einander nichts verheimlichten, Freud als eine Art Selbstversuch vor einem Zeugen gedient haben, oder wenigstens als Spiegel. Dann wären seine Briefe wie Aussagen gegenüber einem Therapeuten zu verstehen. Indem er (an Fließ) schrieb, schrieb er sich (selbst). Der Briefwechsel endete mit einem Plagiatsstreit, der jedoch nur ein Vorwand und kein echtes Motiv sein konnte. Fließ warf Freud vor, seine eigenen, in den Briefen ausgeführten Thesen über Bisexualität an Dritte weitergegeben zu haben. Gewiss war Freud jemand, der – wie selbst Jones zugibt – den Mund nicht halten konnte und sich in seiner langen Karriere nicht viel um Berufsgeheimnisse kümmerte. So kam es zum Bruch mit dem stets bewunderten Freund. Wäre Anna ein Junge geworden, hätte er sie nach Fließ Wilhelm genannt.
    Was lehrt uns die Lektüre dieser Briefe? Wir entdecken in ihnen den Mann Sigmund Freud, der, noch jenseits von Legende und Mythos, nicht auf seinen Ruf bedacht war und sich keine Gedanken darüber machte, was seine Biographen – so hätte er sich ausgedrückt –

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