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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Ödipuskomplex bildeten das Material dessen, was bedeutsam oder häufig gewesen sei und sich deshalb über die Jahrtausende tief in die Psyche jedes Einzelnen gegraben habe. Dieses Argument umgeht Physiologie und Anatomie; es betrifft nur das Unbewusste. Waren das die Prolegomena zum »neuen Judentum«, das Freud angekündigt hatte? Möglich wäre es.
    Der Verfechter des »wissenschaftlichen Mythos« und Spezialist des »historischen Romans« konnte deshalb mit aller Selbstverständlichkeit verkünden: »[D]ie Menschen haben es – in jener besonderen Weise – immer gewußt, daß sie einmal einen Urvater besessen [ sic ] und erschlagen haben.« (ebd., S. 208) Dass es für diese Behauptung keinerlei Beweise gibt, schien ihn nicht zu stören. Er hatte sie mit den Worten eingeleitet, er hege »keine Bedenken [das Folgende] auszusprechen« (ebd.). Wie sonst auch zögerte Freud hier nicht, etwas auszusprechen  – wie Moses, der die Gesetzestafeln verlesen hatte. Das ist ein allenfalls philosophisches Vorgehen; wissenschaftlich ist es nicht.
    Der Vatermord, so sagt uns der Psychoanalytiker, werde auf phylogenetisch-psychischem, jedoch keinesfalls physiologischem Weg tradiert. Indem sie Christus töteten, ermordeten sie ihren Anführer und wiederholten den Gestus der Urhorde. Die Juden weigerten sich, eine Religion – nämlich das Christentum – anzunehmen, die den Vatermord akzeptierte. Als Vatermord beweist der Mord an Gott die herausgehobene Stellung des Christentums, das so dem »wissenschaftlichen Mythos« vom Vatermord folgt.
    Es kommt noch besser: Weil die katholische Eucharistie das
kannibalische Festmahl der Urhorde wiederholt, beweise sie, wie großartig die Idee des heiligen Paulus – eines Juden – war, eine Religion auf dem Gottesmord, nämlich der Kreuzigung Jesu, zu konstruieren. Ein Teil der Juden folgte dieser Interpretation und verstand das Christentum als Vollendung des Judentums.
    Hingegen weigerten sich andere Juden, Paulus’ Vorgaben zu folgen. »Sie sind durch diese Scheidung noch schärfer von den anderen abgesondert als vorher.« (ebd., S. 245) Dies schrieb Freud wohlgemerkt zu einer Zeit, in der die Juden unter dem Naziterror litten. Indem sie sich dem Christentum verweigerten, hätten die Juden sich selbst ins Abseits manövriert. Wir alle wissen um die düsteren Konsequenzen dieser Ablehnung des angeblich christlichen Kerns ihrer Religion.
    Entsetzt müssen wir feststellen, dass Freuds Besessenheit vom Thema Vatermord ihn zu sehr eigenwilligen, nicht nachvollziehbaren, sogar antisemitischen Äußerungen trieb. Sie erschließen sich nur im Kontext der Libidoregulierung und sind äußere Zeichen des inneren psychischen Ringens mit der Neigung zum Inzest. Weil er die psychoanalytische Theoriebildung dem autobiographischen Imperativ unterwarf, bewegte sich Freud wie ein Blinder – und darin glich er Ödipus.

X.
Antigone als Jungfrau und Märtyrerin
    »Anna ist prächtig, gut und geistig selbständig,
aber sie hat kein Sexualleben.«
    Sigmund Freud, Brief an Lou Andreas-Salomé,
11. Dezember 1927 (Freud/Salomé, Briefwechsel, S. 188)
     
     
    Der Inzest war also Freuds größte Fantasie. Angeblich erinnerte er sich erst drei Jahrzehnte später, dass er als kleiner Junge die eigene Mutter im Schlafwagen begehrt hatte. Als Jugendlicher begehrte er die Mutter seiner ersten Liebe; seine Schwägerin war zugleich seine Geliebte und lebte vierzig Jahre lang mit ihm und seiner Ehefrau unter einem Dach. Eine seiner Töchter war Gegenstand erotischer Träume, doch vor allem ging es um Anna, mit der er am weitesten gegangen war. In Die endliche und die unendliche Analyse nannte Freud drei unmögliche Ziele: herrschen, analysieren und lehren. Wenigstens bezüglich der beiden letzten wusste er, wovon er sprach, denn Freuds Beziehung zu Anna war der Höhepunkt der ödipalen Verlorenheit.
    Anna war nicht geplant – hätten ihre Eltern ein sicheres Verhütungsmittel gehabt, wäre sie nie gezeugt worden. So endeten mit ihr die sexuellen Begegnungen zwischen Sigmund und Martha. Die Herkunft ihres Namens bleibt im Dunkeln. Kämpft man sich durch die von den offiziellen Biographen erzeugten Rauchschwaden, bieten sich einige Hypothesen an, denn wie wir gesehen haben, trug Anna den gleichen Namen wie das Pseudonym von Anna O. Vor allem aber war es auch der Name von Freuds Schwester, dem Kind, das sein Vater mit seiner Mutter gezeugt hatte. Als Vater einer Tochter wiederholte er nun die Konstellation,
die

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