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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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zweite sogar um einiges schwerer ist als die erste. Will man etwas auf den Markt bringen, muss man gegen eine ganze Phalanx von Miesmachern, Verwaltern, leeren Anzügen, Formalisten und Berge von Details ankämpfen, angesichts derer man am liebsten alle Hoffnung fahren lassen möchte. Mit anderen Worten, es ist alles andere als einfach, eine Option als solche zu identifizieren (auch hier das Phänomen der Optionsblindheit). In einer solchen Situation braucht man vor allem die Weisheit, zu erkennen, was man in der Hand hält.
    Das Halb-Erfundene. Es gibt eine Kategorie von Dingen, die ich als »halb-erfunden« bezeichnen möchte, und der eigentliche Durchbruch besteht häufig darin, aus dem Halb-Erfundenen Erfundenes zu machen. Manchmal ist ein Visionär nötig, damit offenbar wird, was mit einer Entdeckung gemacht werden kann – eine Vision, die er und nur er hat. Nehmen Sie als Beispiel die Computermaus oder auch die so genannte grafische Benutzeroberfläche – ein Steve Jobs musste kommen, damit so etwas auf Ihrem Desktop und später auf Ihrem Laptop erscheinen konnte; er war der Einzige, der eine Vision von der Dialektik zwischen Bildern und Menschen hatte (die er dann später, indem er noch den Sound hinzufügte, zu einer Trilektik erweiterte). Die Dinge »starren uns an«, wie es so schön heißt, beziehungsweise »liegen auf der Hand«.
    Außerdem sind es die einfachsten »Technologien« (vielleicht sollte man nicht einmal diesen hochtrabenden Begriff verwenden, sondern lieber von Werkzeugen sprechen) wie das Rad, die offenbar dafür sorgen, dass sich die Welt weiter dreht. Man macht zwar viel Aufhebens um sie, dennoch hat die so genannte Technik eine sehr hohe Sterblichkeitsrate, wie ich in Kapitel 20 zeigen werde. Trotz all der Transportmittel, die in den vergangenen dreitausend Jahren entworfen wurden, angefangen bei den Angriffswaffen der Hyksos und den Entwürfen des Heron von Alexandria, umfasst der heutige Bestand an Transportmitteln für Individuen lediglich Fahrräder und Autos (und einige wenige Varianten dazwischen). Und selbst da scheinen sich die technischen Verfahren vor und zurück zu bewegen, und das Natürlichere, weniger Fragile scheint das Technischere wieder zu verdrängen. Das Rad, erfunden im Vorderen Orient, verschwand offenbar wieder, nachdem mit der Invasion der Araber der Einsatz von Kamelen üblicher wurde und die Menschen dort feststellten, dass das Kamel robuster – also auf Dauer effizienter – ist als die fragile Technik des Rads. Außerdem kann eine einzige Person zwar sechs Kamele, aber nur einen Wagen lenken, die Regression weg von der Technik war also auch wirtschaftlich sinnvoll.
    Und noch einmal: Weniger ist mehr
    Die Geschichte mit dem Koffer ging mir immer noch nach, als mir, während ich versonnen auf eine Kaffeetasse aus Porzellan starrte, dämmerte, dass es eine einfache Definition von Fragilität gibt, also eine geradlinige, praxisnah einsetzbare Heuristik: Je simpler und offensichtlicher eine Entdeckung ist, desto weniger sind wir dazu in der Lage, mit komplizierten Methoden darauf zu kommen. Entscheidend ist, dass die Bedeutung nur in der praktischen Anwendung offenbar wird. Wie viele solcher einfachen, trivial einfachen Heuristiken liegen eigentlich derzeit auf der Hand und lachen uns aus?
    Die Geschichte des Rads illustriert außerdem den springenden Punkt dieses Kapitels: Sowohl Regierungen als auch Universitäten haben sehr, sehr wenig geleistet, was Innovationen und Entdeckungen angeht, und zwar – über ihren die Sicht verstellenden Rationalismus hinaus – aus dem Grund, dass sie nach dem Komplizierten suchen, dem Spektakulären, dem, was sich gut als Sensation verkaufen lässt, dem Erzählbaren, dem Wissenschaftlichen und dem Pompösen, aber kaum einmal nach dem Rad am Koffer. Ich habe festgestellt, dass man sich mit Schlichtheit keine Lorbeeren verdient.
    Mind the Gaps
    Die Geschichten über Thales und über das Rad haben uns vor Augen geführt, dass Antifragilität (aufgrund der asymmetrischen Effekte von Versuch und Irrtum) der Intelligenz überlegen ist. Ganz ohne Intelligenz geht es aber auch nicht. In der Diskussion von Rationalität hat sich gezeigt, was nötig ist: dass alles, was wir dazu brauchen, die Fähigkeit ist zu akzeptieren, dass das, was wir in der Hand haben, besser ist als das, was wir vorher hatten – mit anderen Worten, die Existenz der Option als solche anerkennen (oder, wie es im Business-Bereich heißt, »die Option ausüben«,

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