Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)
Verfahren nicht komplett willkürlich verläuft. Wenn Sie in Ihrem Wohnzimmer mit dem Versuch-und-Irrtum-Verfahren nach Ihrem verlegten Geldbeutel suchen, gehen Sie rational vor, indem Sie nicht am selben Platz zweimal suchen. Jeder Versuch und jeder Irrtum liefert zusätzliche Informationen, von denen jede wertvoller ist als die vorherige – Sie wissen, was nicht funktioniert oder wo der Geldbeutel nicht ist. Mit jedem Versuch kommt man dem Gesuchten näher, vorausgesetzt, man bewegt sich in einer Umgebung, in der man genau weiß, wonach man sucht. Aus dem Versuch, der nicht zum gewünschten Ergebnis führt, lässt sich zunehmend klarer erschließen, in welcher Richtung weitergesucht werden muss.
Ich kann das am besten an der Vorgehensweise von Greg Stemm veranschaulichen, der sich darauf spezialisiert hat, Schiffswracks vom Meeresgrund zu bergen. Da seinen Projekten die Vorstellung zugrunde liegt, nach positiven Extremergebnissen zu suchen, nannte er im Jahr 2007 seinen (bis dahin) größten Fund »Schwarzer Schwan«. Es handelte sich tatsächlich um einen recht beträchtlichen Fund, einen Schatz an Edelmetallen, der mittlerweile eine Milliarde Dollar wert ist. Stemms Schwarzer Schwan ist eine spanische Fregatte, sie trägt den Namen Nuestra Señora de las Mercedes und war 1804 von den Engländern vor der Südküste Portugals versenkt worden. Stemm erwies sich als der ideale Jäger nach positiven Schwarzen Schwänen, jemand, der demonstrieren kann, dass eine solche Suche eine äußerst kontrollierte Form der Zufälligkeit ist.
Ich traf mich mit ihm, und wir tauschten unsere Ideen aus: Seine Investoren waren (ganz ähnlich wie die meinen – zu der Zeit war ich noch in dieser Branche tätig) überwiegend zunächst nicht dazu in der Lage zu verstehen, dass für einen Schatzjäger ein »schlechtes« Quartal (in dem man lediglich Geld für Suchaktionen ausgibt, ohne etwas zu finden) kein Indikator für eine Notlage ist, also nicht vergleichbar mit Berufen, in denen ständig Zahlungen fließen, wie etwa bei Zahnärzten oder Prostituierten. Aufgrund gewisser Kontextabhängigkeiten können Leute ja durchaus Geld für beispielsweise Büromöbel ausgeben und das als Investition anstatt als »Verlust« bezeichnen, wohingegen sie die Kosten für eine Suche unter »Verlust« verbuchen.
Stemm geht folgendermaßen vor: Er erstellt eine umfangreiche Analyse des gesamten Gebiets, in dem sich das Schiff befinden könnte. Diese Daten werden in eine Karte übertragen, die in Wahrscheinlichkeitsquadrate aufgeteilt ist. Dann wird ein Suchgebiet festgelegt, wobei immer sicherzustellen ist, dass das Schiffswrack sich nicht in einem bestimmten, bereits durchsuchten Gebiet befindet, bevor man sich auf eine niedrigere Wahrscheinlichkeitsebene begibt. Es sieht zufällig aus, ist es aber nicht. Ganz ähnlich gehen Sie vor, wenn Sie in Ihrem Haus nach einem Schatz suchen: Mit jeder Suchetappe erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Sie etwas finden werden, allerdings nur dann, wenn Sie wirklich sicher sein können, dass sich der Schatz nicht dort befindet, wo Sie bereits gesucht haben.
Vielleicht sind einige Leser nicht sonderlich angetan von den moralischen Aspekten der Suche nach untergegangenen Schiffen und möchten einwenden, diese Schätze seien kein Privateigentum, sondern gehörten dem jeweiligen Land. Wechseln wir also den Bereich. Die Methode, mit der Stemm arbeitet, wird auch, vor allem auf dem Grund unerforschter Ozeane, zur Erkundung von Öl- und Gasvorräten angewendet, allerdings mit einem Unterschied: In einem gesunkenen Schiff ist die obereMarge des Profits begrenzt auf den Wert des Schatzes, während Ölfelder und andere natürliche Ressourcen nach oben nahezu unbegrenzt sind (oder jedenfalls eine sehr weit oben liegende Grenze aufweisen).
Schließlich möchte ich noch einmal auf das im sechsten Kapitel angesprochene Verfahren der Zufallsbohrungen hinweisen, das strukturierteren Techniken überlegen zu sein schien. Solche Suchmethoden sind nicht sinnlos oder willkürlich. Dank der Optionalität handelt es sich dabei um gezähmten Zufall, in Dienst genommene Willkür.
Kreative und unkreative Zerstörungen
Ein Mann, der die Tatsache immerhin ansatzweise erkannte, dass Irrtümer ein notwendiger Bestandteil des Versuch-und-Irrtum-Verfahrens sind, allerdings ohne größeres Verständnis der Asymmetrie (beziehungsweise dessen, was ich seit dem zwölften Kapitel als Optionalität bezeichne), war der
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