Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)
Eine Option ist die Waffe der Antifragilität.
Der andere Schwerpunkt des Kapitels und von Buch IV ist die Erkenntnis, dass eine Option ein Ersatz für Wissen ist – mir ist unbegreiflich, was steriles Wissen sein soll, Wissen an sich ist notwendigerweise vage und steril. Ich stelle also die kühne Behauptung auf, dass viele Dinge, von denen wir meinen, sie gingen auf Kenntnisse zurück, in Wahrheit zu einem großen Teil aus gut genutzten Optionen stammen, ganz ähnlich wie in der Thales-Episode und ganz ähnlich wie in der Natur, dass sie also mit dem, was wir für Erkenntnis halten, eher wenig zu tun haben.
Was daraus folgt, ist nicht trivial. Sollten Sie annehmen, dass Bildung zu Wohlstand führt und nicht vielmehr ihrerseits eine Folge von Wohlstand ist, oder dass intelligentes Handeln und Entdeckungen das Resultat intelligenter Ideen sind, dann wartet eine Überraschung auf Sie. Schauen wir sie uns genauer an.
42 Ich glaube, der größte Vorteil von Reichtum liegt, abgesehen von der Unabhängigkeit, darin, dass man reiche Leute verachten kann (von denen man eine ordentliche Menge in schicken Wintersportorten antrifft), ohne dass einem der Gedanke an saure Trauben dieses Vergnügen vergällen könnte. Noch reizvoller ist es, wenn diese Säcke nicht wissen, dass man selbst reicher ist als sie.
43 An der Natur zeige ich modellhaft, dass Überbietungsleistungen ein Resultat von Optionalität, nicht von Intelligenz sind – allerdings darf man nicht auf den naturalistischen Trugschluss hereinfallen: Moralische Regeln lassen sich aus Optionalität nicht unbedingt ableiten.
44 Jeder redet von Glück und von Versuch und Irrtum, aber dadurch hat sich so wenig verändert. Warum? Weil es nicht um Glück geht, sondern um Optionalität. Glück kann per definitionem nicht ausgenutzt werden; Versuch und Irrtum kann Irrtümer zur Folge haben. Optionalität bedeutet, sich die obere Hälfte des Glücks zu sichern.
45 Normalerweise spreche ich nicht gern über meine berufliche Laufbahn als Optionstrader, da ich befürchte, der Leser wird das, was ich hier vorstelle, dann eher mit dem finanziellen Sektor in Verbindung bringen und nicht mit den wissenschaftlicheren Anwendungen. Ich raste aus, wenn ich fachspezifische Erkenntnisse formuliere, die ich im Derivatehandel erworben habe, und die Leute missverstehen sie dann als finanztechnische Argumente – das sind lediglich Techniken, übertragbare Techniken, äußerst übertragbare Techniken, um Baals willen!
Kapitel 13
Flugunterricht für Vögel
Endlich: das Rad! – Erste Ansätze von Fat-Tony-Gedanken – Das zentrale Problem: Vögel schreiben selten mehr als Ornithologen – Man sollte besser Einfältigkeit mit Weisheit kombinieren als andersherum
Haben Sie schon einmal über die Geschichte des Rollkoffers nachgedacht? Ich nehme auf fast all meine Reisen einen riesigen Rollkoffer mit, der fast ausschließlich mit Büchern gefüllt ist. Dieser Koffer ist schwer (die Bücher, die mich interessieren, wenn ich unterwegs bin, sind fatalerweise ganz überwiegend Hardcoverausgaben).
Im Juni 2012 schob ich also wieder einmal solch einen typischen, schweren, mit Büchern vollgepackten Koffer aus dem International Terminal des John F. Kennedy-Flughafens, und beim Anblick der kleinen Räder unter dem Koffer und des Metallgriffs fielen mir plötzlich die Zeiten ein, als ich mein mit Büchern vollgestopftes Gepäck durch genau dasselbe Terminal bugsieren musste, wobei ich immer wieder anhielt, um auszuruhen und die Milchsäure aus meinen geschundenen Armen fließen zu lassen. Einen Gepäckträger konnte ich mir nicht leisten, und selbst wenn ich es gekonnt hätte, hätte es mir widerstrebt. Drei Jahrzehnte lang bin ich immer wieder durch dieses selbe Terminal gegangen, mit und ohne Räder, und der Kontrast war geradezu gruselig. Mir ging plötzlich auf, wie fantasielos wir doch sind: Wir haben unsere Koffer auf Karren mit Rädern gestellt, aber niemand kam auf den Gedanken, kleine Räder direkt unter den Koffer zu montieren.
Können Sie sich vorstellen, dass fast sechstausend Jahre vergehen mussten zwischen der Erfindung des Rads (wahrscheinlich durch die Mesopotamier) und dieser grandiosen Anwendung (erfunden von irgendeinem Gepäckhersteller in einem tristen Industriegebiet)? Und nicht nur sechstausend Jahre – sondern auch Milliarden von Stunden, die von Reisenden wie mir damit zugebracht wurden, ihr Gepäck durch abweisende Flughafenkorridore an unhöflichen Zollbeamten
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