Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
Vom Netzwerk:
wurde, als es tatsächlich (würden neben den Erfolgen auch die Misserfolge angeführt) der Fall ist.
    Und selbstverständlich kommen iatrogene Effekte in solchen Diskursen nie vor. Dass Ausbildung eventuell sogar geschadet haben könnte, wird geflissentlich ausgeklammert.
    Daher sind wir blind für die Möglichkeit des alternativen Prozesses beziehungsweise der Rolle eines solchen Prozesses, einer Schleife:
    Willkürliches Herumprobieren (Tüfteln – antifragil) ➝ Heuristiken (Techniken) ➝ Praxis und Übung, Weitergabe von Wissen im Rahmen von Lehrverhältnissen ➝ Willkürliches Herumprobieren (Tüfteln – antifragil) ➝ Heuristiken (Techniken) ➝ Praxis und Übung …
    Und parallel zur Schleife oben:
    Praxis und Übung ➝ Akademische Theorien ➝ Akademische Theorien ➝ Akademische Theorien ➝ Akademische Theorien … (Es gibt hin und wieder Ausnahmen, zufällige Lecks, sie sind allerdings selten, werden unverdient hochgejubelt und in ihrer Bedeutung extrem verallgemeinert.)
    Man kann allerdings den Betrug im so genannten Bacon’schen Modell durchaus aufdecken, wenn man sich die Situation in der Zeit anschaut, da es noch keine Harvard-Veranstaltungen für das Spezialgebiet »Flugunterricht für Vögel in Theorie und Praxis« gab. Das fand ich zufällig (tatsächlich zufällig) heraus, als ich in meinem Beruf vom Praktiker zum Volatilitätsforscher wurde, dank einer günstigen Entwicklung der Ereignisse. Aber lassen Sie mich zuvor Epiphänomene erläutern und den Kausalitätspfeil in der Erziehung.
    Epiphänomene
    Die Sowjet-Harvard-Illusion (Vögeln Flugunterricht geben und annehmen, dass der Unterricht die Ursache für die grandiosen Fähigkeiten der Vögel ist) gehört zu einer Sparte kausaler Illusionen, die als Epiphänomene bezeichnet werden.Was hat es mit diesen Illusionen auf sich? Wenn man eine Zeitlang auf der Brücke eines Schiffs oder im Navigationsraum des Steuermanns vor einem großen Kompass steht, kann leicht der Eindruck entstehen, der Kompass gebe dem Schiff seine Richtung vor und reflektiere sie nicht lediglich.
    Der Flugunterricht-für-Vögel-Effekt ist ein Beispiel epiphänomenalen Glaubens: Wir sehen in wohlhabenden, fortschrittlichen Ländern ein hohes Maß an universitärer Forschung, was uns zu dem unkritischen Gedanken verleitet, Forschung wäre die Ursache für Wohlstand. Bei einem Epiphänomen beobachtet man normalerweise A nur in Verbindung mit B, man ist also versucht anzunehmen, A verursache B oder B verursache A, je nach kulturellem Rahmen oder je nachdem, was dem lokalen Berichterstatter plausibel erscheint.
    Man wird kaum auf den Gedanken kommen, dass angesichts der Tatsache, dass viele Jungen kurze Haare haben, kurzes Haar das Geschlecht bestimmt, oder dass man Geschäftsmann wird, indem man eine Krawatte trägt. Auf andere Epiphänomene fällt man leichter herein, vor allem wenn man in einer von den Medien dominierten Kultur lebt.
    Es ist unschwer zu erkennen, dass man dazu verleitet wird, zunächst anzunehmen, diese Epiphänomene würden bestimmte Aktionen anstoßen, um sie dann im Nachhinein zu rechtfertigen. Ein Diktator wird sich – genau wie eine Regierung – für unersetzlich halten, da die Alternative nur schwer auszumachen ist oder sogar von speziellen Interessengruppen bewusst verborgen wird. So kann beispielsweise die amerikanische Federal Reserve Bank in der Wirtschaft verheerende Schäden anrichten, ohne dass sich an ihrer Überzeugung von der eigenen Effektivität etwas ändert. Die Allgemeinheit fürchtet sich vor der Alternative.
    Gier als ein Grund
    Bei jeder Wirtschaftskrise wird Gier als Grund genannt, was bei der Allgemeinheit den Eindruck hervorruft, man müsse nur die Gier mit Stumpf und Stiel ausrotten, und es gäbe keine Krisen mehr. Darüber hinaus neigen wir zu der Auffassung, früher habe es keine Gier gegeben, da es früher auch keine so ungezügelten Wirtschaftskrisen gegeben habe. Doch das ist ein Epiphänomen: Gier ist viel älter als Systemfragilität. Es gibt sie, so weit das Auge in die Geschichte zurückreicht. Aus Vergils Erwähnung der Gier nach Gold und aus der Wendung radix malorum est cupiditas (aus der lateinischen Version des Neuen Testaments) – beide über zwanzig Jahrhunderte alt – lässt sich unschwer erschließen, dass die immer gleichen Probleme mit der Gier immer wieder formuliert wurden, natürlich ohne dass je ein Heilmittel dagegen gefunden worden wäre, trotz der sehr unterschiedlichen politischen Systeme, die

Weitere Kostenlose Bücher