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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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seither kamen und gingen. Trollopes Roman The Way We Live Now ist vor fast eineinhalb Jahrhunderten erschienen und erzählt von genau jenen Klagen über das Wiederaufleben der Gier und ihrer Handlanger, die mir 1988 mit dem Schlagwort von der »Gier-Dekade« oder dann 2008 als »Gier des Kapitalismus« zu Ohren gekommen sind. Mit erstaunlicher Regelmäßigkeit wird Gier a) als etwas Neues und b) als heilbar angesehen. Eine typische Prokrustesbett-Interpretation; es ist wesentlich schwerer, die Menschen zu ändern, als Systeme zu schaffen, die gegen Gier abgesichert sind, und niemand kommt auf einfache Lösungen. 46
    Häufig wird auch »mangelnde Wachsamkeit« als Grund für einen Irrtum angeführt (wie ich im Zusammenhang mit der Geschichte der Société Générale in Buch V zeigen werde, war der Grund die Größe und die Fragilität). Mangelnde Wachsamkeit ist nicht der Grund für den Tod eines Mafiabosses; der Grund ist der Umstand, dass er sich Feinde gemacht hat – und das Gegenmittel wäre, sich Freunde zu machen.
    Die Entlarvung von Epiphänomenen
    Es ist möglich, Epiphänomene im kulturellen Diskurs und im allgemeinen Bewusstsein aufzudecken, indem man die Abfolge von Ereignissen bedenkt und prüft, ob das eine dem anderen immer vorausgeht. Diese Methode wurde von dem erst kürzlich verstorbenen Clive Granger entwickelt, einem wahren Gentleman und würdigen Empfänger des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften – einem Preis, den die Bank von Schweden (Sveriges Riksbank) zu Ehren von Alfred Nobel allerdings auch bereits einer ganzen Reihe von Fragilisten verliehen hat. Grangers Methode ist die einzige konsequent wissenschaftliche Technik, die Wissenschaftstheoretiker anwenden können, um Kausalitäten festzustellen, denn mit ihr kann man, indem man Sequenzen analysiert, die so genannte Granger-Kausalität festmachen, wenn nicht sogar messen. So kommt man schließlich darauf, in epiphänomenalen Situationen A und B nebeneinander zu sehen. Wenn man allerdings die Analyse verfeinert, indem man die Abfolge mit bedenkt, also eine zeitliche Dimension einführt – was war zuerst da, A oder B – und dann den Befund analysiert, kann man feststellen, ob A tatsächlich B verursacht.
    Außerdem hatte Granger die großartige Idee, Unterschiede zu studieren, also Veränderungen in A und B, und nicht lediglich den Wert von A und B. Ich glaube zwar nicht, dass ich mit Grangers Methode zu der sicheren Annahme kommen kann, dass »A die Ursache für B ist«, aber sie kann sehr wahrscheinlich helfen, falsche Kausalitäten zu entlarven und die Behauptung aufzustellen, dass »die Aussage, B verursache A, falsch ist«, oder zu belegen, dass sich aus einer Abfolge kein hinreichender Beweis ableiten lässt.
    Der wichtige Unterschied zwischen Theorie und Praxis liegt exakt in der Aufdeckung der Abfolge der Ereignisse und darin, diese Abfolge im Gedächtnis zu behalten. Wenn das Leben vorwärts gelebt, aber rückwärts verstanden wird, wie Kierkegaard beobachtete, verschärfen Bücher diesen Effekt noch – unsere Erinnerungen, unser Wissen und unser Instinkt enthalten Sequenzen. Ein Betrachter, der vom Standpunkt des Heute auf vergangene Ereignisse blickt, ohne sie selbst erlebt zu haben , wäre geneigt, Kausalitätsillusionen zu entwickeln, und zwar überwiegend aus dem Grund, dass er die Abfolge der Ereignisse durcheinanderbringt. Im wirklichen Leben haben wir es trotz aller möglichen Verzerrungen nicht mit einer so hohen Anzahl von Ungleichzeitigkeiten zu tun wie ein Student der Geschichte. Böse Geschichte, so viele Lügen, so viele Verzerrungen!
    Ein Beispiel für die Widerlegung einer Kausalität: Ich bin zwar noch nicht tot, stelle aber schon fest, wie mein Werk verfälscht wird. Gewisse Interpreten theoretisieren über die Herkunft meiner Ideen, als ob Menschen Bücher lesen und dann Ideen entwickeln; sie kommen nicht auf den Gedanken, dass es genau andersherum laufen kann: Menschen halten Ausschau nach Büchern, die ihr geistiges Konzept stützen. Ein Journalist (Anatole Kaletsky) identifizierte einen Einfluss von Benoît Mandelbrot auf mein Buch Narren des Zufalls . Das Buch kam 2001 auf den Markt, als ich noch nicht einmal wusste, wer Mandelbrot war. Es ist ganz einfach: Kaletsky erkannte Ähnlichkeiten in unserem Denken in einem bestimmten Bereich, außerdem einen Altersvorsprung, und schon zog er den falschen Schluss. Er kam nicht auf die Idee, dass ähnlich gesinnte Menschen ähnliche Argumente vorbringen und

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