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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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selbstgesteuert und unvorhersehbar. Und es wäre ganz falsch, wenn man damit einen Eindruck von Irrationalität erwecken würde – das Irrationale besteht vielmehr darin, eine freie Option nicht zu erkennen, wenn sie uns angeboten wird.
    China könnte ein überzeugendes Beispiel abgeben, wie uns die Veröffentlichungen Joseph Needhams zeigen, eines genialen Beobachters, der viele Vorstellungen des Westens über China entzaubert und die Macht chinesischer Wissenschaft dargestellt hat. Als China ein Top-down-Mandarinat wurde (also ein Staat, der von zentralisierten Schreibern der Sowjet-Harvard-Spezies geleitet wurde, ähnlich wie zuvor schon Ägypten), kam den Menschen ihr Erfindergeist, ihre Lust an Versuch und Irrtum abhanden. Needhams Biograph Simon Winchester zitiert den Sinologen Mark Elvin, der feststellt, dass bei den Chinesen nicht – oder besser gesagt, nicht mehr – das vorkam, was er die »europäische Begeisterung für Tüfteleien und Verbesserungen« nennt. Alles, was nötig war, um die Spinnmaschine zu erfinden, war da, aber »keiner versuchte es« – ein weiteres Beispiel von Wissen, das Optionen im Weg steht. Wahrscheinlich hätten die Chinesen jemanden wie Steve Jobs gebraucht – jemanden, dem eine akademische Bildung erspart geblieben ist und der über das offensive Temperament verfügt, das man braucht, um die Einzelteile zu ihrem natürlichen Abschluss zu bringen. Im nächsten Abschnitt werden wir sehen, dass es genau dieser Typ des unbefangenen Machers ist, der die Industrielle Revolution in Gang setzte.
    Wir wenden uns nun zwei Fallbeispielen zu, zunächst der Industriellen Revolution, anschließend der Medizin. Fangen wir an mit der Entzauberung eines Gründungsmythos der Industriellen Revolution: der Überbetonung wissenschaftlichen Denkens.
    Die Industrielle Revolution
    Die Entstehung von Wissen, auch von theoretischem Wissen, braucht Zeit, Langeweile und die Freiheit, die daraus erwächst, dass man noch eine andere Beschäftigung hat, mit der man sein Geld verdienen kann und die es einem erlaubt, sich dem an Journalismus erinnernden Druck, zu publizieren oder unterzugehen, wie er in der heutigen akademischen Welt herrscht, zu entziehen. Denn dieser Druck bringt nichts als kosmetisches Wissen hervor, das an jene nachgemachten Armbanduhren erinnert, die man im New Yorker Chinatown kaufen kann, von denen man weiß, dass es Fälschungen sind, auch wenn sie echt aussehen. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert gab es zwei Quellen technischen Wissens und technischer Innovation: den Bastler und den englischen Gemeindepfarrer, die beide überwiegend in »hantelaffinen« Umständen lebten.
    Außerordentlich produktiv waren die Gemeindepfarrer, die in einem großen oder jedenfalls behaglichen Haus relativ unbelastet ihr Gelehrtenleben führen konnten; sie hatten Dienstboten, die sich um sie kümmerten, immer genügend Tee und Scones mit klumpiger Sahne und freie Zeit im Überfluss. Und natürlich jede Menge Optionen. Wir haben hier den Prototyp des aufgeklärten Amateurs vor uns. Am berühmtesten sind Reverend Thomas Bayes (nach dem der Bayes’sche Wahrscheinlichkeitsbegriff benannt ist) und Thomas Malthus (auf den der Begriff der Überbevölkerung zurückgeht). Aber es gibt noch weitere Überraschungen. Bill Bryson hat sie in seinem Buch Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge versammelt, er stellt fest, dass es zehnmal mehr Vikare und Kleriker gab, die in Form von Aufzeichnungen Spuren für die Nachwelt hinterlassen haben, als Wissenschaftler, Physiker, Wirtschaftswissenschaftler, ja sogar Erfinder. Außer den beiden bereits erwähnten Giganten seien noch einige weitere Beiträge von Landgeistlichen herausgegriffen: Rev. Edmund Cartwright erfand die Webmaschine, die einen gewichtigen Beitrag zur Industriellen Revolution leistete; Rev. Jack Russell züchtete den Terrier; Rev. William Buckland war die erste Autorität auf dem Gebiet der Dinosaurier; Rev. William Greenwell begründete die moderne Archäologie; Rev. Octavius Pickard-Cambridge war der berühmteste Spinnen-Spezialist; Rev. George Garrett erfand das U-Boot; Rev. Gilbert White war der renommierteste Naturforscher seiner Zeit; Rev. M. J. Berkeley war führend auf dem Gebiet der Pilze; Rev. John Michell war an der Entdeckung des Planeten Uranus beteiligt; und das sind längst nicht alle. Man beachte, dass hier – ähnlich wie bei der von Haug beschriebenen Episode – die etablierte Wissenschaft den Hinweis »nicht hier gemacht«

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