Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
Vom Netzwerk:
der Hantelstrategie erkennen. Man erinnere sich: Bei der Hantellogik besteht der erste Schritt darin, Fragilitäten zu entfernen.
    Wo ist der Scharlatan?
    Wir erinnern uns: Der Interventionist zielt auf die Tat – auf das Handeln. Wir haben gesehen, dass aktives Eingreifen – ähnlich wie positive Definitionen – von unserem primitiven Geist hochgeschätzt und glorifiziert wird. Der Impuls zu aktivem Eingreifen führt zu naiven Interventionen der Regierung, die in Katastrophen enden; darauf folgen allgemeine Klagen über naive Interventionen der Regierung, da diese, wie man nun gemerkt hat, zu Katastrophen führen; und darauf wiederum folgen weitere naive Interventionen der Regierung. Akte der Unterlassung dagegen, in denen bewusst etwas nicht getan wird, werden gar nicht erst als solche wahrgenommen und erwecken nicht den Anschein, Bestandteil einer bestimmten Strategie zu sein. Tabelle 3 zeigt deutlich, wie weit verbreitet dieser Effekt ist; er kommt im Geschäftsleben ebenso vor wie im Gesundheitswesen.
    Zeit meines Lebens habe ich von einer wunderbar schlichten Heuristik Gebrauch gemacht: Scharlatane erkennt man daran, dass sie einem positive Ratschläge geben, einem also sagen, was man zu tun hat. Sie nutzen unsere Gutgläubigkeit aus und unsere einfältige Neigung zu Handlungsanweisungen, die einem im ersten Augenblick absolut einleuchtend vorkommen und dann im Lauf der Zeit einfach verpuffen, weil man sie schlicht vergisst. Denken Sie nur an all die Selbsthilfebücher mit der immer wiederkehrenden Titelfloskel »In zehn Schritten zu …« (beliebig auffüllbar mit: Reichtum, Gewichtsverlust, Freundschaften, Innovationen, Wahlsiegen, Muskelaufbau, Ehepartnern; der Fähigkeit, ein Waisenhaus zu leiten, und so weiter). Doch in der Praxis ist es das Negative, das sich die Profis, diejenigen, die von der Evolution begünstigt wurden, zunutze machen: Schach-Großmeister gewinnen, indem sie nicht verlieren; Leute werden reich, indem sie nicht bankrott gehen (vor allem dann, wenn andere bankrott gehen); im Zentrum von Religionen stehen Verbote; die wichtigste Lektion im Leben besteht darin, zu lernen, was es zu vermeiden gilt. Die meisten Risikofaktoren lassen sich mit einer Handvoll Maßnahmen ausschalten.
    Darüber hinaus können wir, vom Zufall genarrt, in den meisten hochgradig vom Zufall geprägten Umständen letztlich nicht entscheiden, ob eine erfolgreiche Person neben ihrem Erfolg auch noch Fähigkeiten hat oder ob sie aufgrund dieser ihrer Fähigkeiten erfolgreich ist. Was wir aber mit ziemlicher Sicherheit vorhersagen können, ist die negative Kehrseite dieser Relation: dass nämlich ein Mensch, der überhaupt keine Fähigkeiten hat, auch irgendwann scheitern wird.
    Subtraktives Wissen
    Im Bereich des Wissens gilt dasselbe. Der wichtigste und robusteste Beitrag zum Wissen besteht darin, all das zu entfernen, was wir für falsch halten – subtraktive Epistemologie.
    Im Leben wird Antifragilität dadurch erreicht, dass man kein Dummkopf ist.In Peri mystikes theologias benutzte Pseudo-Dionysius nicht genau diese Worte, weder ging es ihm um Falsifikation noch wird die Idee klar konturiert, doch meines Erachtens kreiste er um diese Art subtraktiver Epistemologie und die Asymmetrien im Wissen. Ich habe die Neigung zu klaren, abstrakten, theoretischen Formen, zu Universalien, die uns blind machen für das Durcheinander der Realität und damit die Entstehung Schwarzer Schwäne verursachen, als »Platonität« bezeichnet. Dann stellte ich fest, dass hier eine Asymmetrie vorliegt. Ich glaube an platonische Ideen, wenn sie in umgekehrter Form auftreten – sozusagen als negative Universalien.
    Mein zentraler epistemologischer Grundsatz lautet daher: Wir wissen wesentlich besser, was falsch, als was richtig ist, oder – formuliert vor dem Hintergrund der Fragil/Robust-Klassifikation – negatives Wissen (Was ist falsch? Was funktioniert nicht?) ist robuster gegen Irrtümer als positives Wissen (Was ist richtig? Was funktioniert?). Wissen wächst also wesentlich eher durch Subtraktion als durch Addition: Was wir heute wissen, kann sich morgen als falsch erweisen, aber etwas, von dem wir wissen, dass es falsch ist, kann sich nicht – jedenfalls nicht so ohne Weiteres – als richtig herausstellen. Wenn ich einen schwarzen (nicht Schwarzen) Schwan sehe, kann ich ziemlich sicher sein, dass die Behauptung »Alle Schwäne sind weiß« falsch ist. Andererseits: Selbst wenn ich noch nie einen schwarzen Schwan gesehen

Weitere Kostenlose Bücher