Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)
loswird, hat man mit wenig Aufwand eine Menge Probleme gelöst. Einige wenige Kunden generieren einen Großteil der Einkünfte. 95 Prozent meiner Hassmails bekomme ich von immer denselben drei Personen, die alle ein und denselben Versagertyp repräsentieren (die Mails von einem der Verfasser haben meiner Schätzung zufolge einen Umfang von an die hunderttausend Wörter – er muss immer mehr schreiben und immer mehr Anstößiges in meinen Büchern finden, nur um immer denselben Effekt zu erzielen). Für das Gesundheitswesen hat Ezekiel Emanuel nachgewiesen, dass die Hälfte der Bevölkerung weniger als drei Prozent der Kosten verursacht, die zehn Prozent mit den schlimmsten Krankheiten hingegen 64 Prozent des Gesamtkuchens brauchen. Bent Flyvbjerg (Sie kennen ihn aus Kapitel 18) zeigte mit seiner Idee vom Black-Swan Management , dass der größte Teil der Kostenüberschreitungen in Unternehmen einfach großen Technologieprojekten zuzuschreiben ist – woraus man schließen kann, dass man sich darauf konzentrieren sollte, anstatt dauernd nur zu reden und hochkomplexe Papers abzufassen.
Bei der Mafia heißt es bezeichnenderweise: Sieh einfach zu, dass du das Steinchen aus deinem Schuh entfernst.
In bestimmten Bereichen, beispielsweise auf dem Immobilienmarkt, können Probleme und Lösungen kurz und bündig in einer Heuristik zusammengefasst werden, einer Faustregel, dass es nämlich darauf ankommt, sich an den drei wichtigsten Merkmalen zu orientieren: »Lage, Lage und Lage« – alles andere ist überwiegend Fliegendreck. Das stimmt nicht ganz und auch nicht immer, doch zeigt es den Punkt auf, um den es eigentlich geht, der Rest erledigt sich von allein.
Aber die Leute wollen einfach immer noch mehr Daten, um »Probleme zu lösen«. Im Zusammenhang mit der Gründung eines Projekts zur Erstellung von Krisenprognosen hatte ich einmal einen Auftritt im Kongress. Die Beteiligten wollten das Paradoxon nicht sehen, dass wir nie zuvor mehr Daten hatten, als uns gegenwärtig zur Verfügung stehen, und dass gleichzeitig die Lage nie zuvor weniger prognostizierbar war. Eine weitere Anhäufung von Daten – wenn man beispielsweise die Augenfarbe der anderen Passanten studiert, während man über die Straße geht – kann dazu führen, dass man den dicken Lastwagen nicht kommen sieht. Wenn Sie eine Straße überqueren, dann entfernen Sie Daten, Sie nehmen alles weg, was Sie daran hindert, sich ausschließlich auf das zu konzentrieren, was Sie unmittelbar gefährden könnte. 69 Paul Valéry bemerkte einmal, que de choses il faut ignorer pour agir – wie viele Dinge man doch außer Acht lassen muss, um handeln zu können.
Überzeugende – und selbstsichere – Wissenschaftszweige wie etwa die Physik ziehen zur Absicherung ihrer Aussagen nur selten statistische Daten heran, wohingegen die Politik- und Wirtschaftswissenschaften, die noch nie irgendetwas Bemerkenswertes hervorgebracht haben, eine Fülle von elaborierten Statistiken und statistischer »Evidenz« produzieren (und wenn der Rauch erst verflogen ist, stellt sich heraus, dass Evidenz hier mit Evidenz überhaupt nichts zu tun hat). Die Situation in der Wissenschaft ähnelt den Kriminalromanen, in denen sich letztlich derjenige, der die meisten Alibis vorzuweisen hat, als Schuldiger entpuppt. Und man muss keine Berge von Papier anfertigen, in denen es von Daten nur so wimmelt, um die Megatonnen von Papier voller wirtschaftswissenschaftlicher Statistiken zu widerlegen: Das schlichte Argument, dass Schwarze Schwäne und Ereignisse an den Rändern der Verteilung die sozioökonomische Welt bestimmen und dass solche Ereignisse nicht vorhergesagt werden können, reicht aus, um sämtliche Statistiken dieser Art zu entkräften.
Ein weiterer Beleg für die Gültigkeit der Weniger-ist-mehr-Regel ist folgendes Experiment. Christopher Chabris und Daniel Simons haben in ihrem Buch Der unsichtbare Gorilla gezeigt, dass jemand, der sich die Videoaufzeichnung eines Basketballspiels anschaut und aufgefordert wird, dabei auf so aufmerksamkeitsabsorbierende Details wie die Anzahl der Pässe zu achten, unter Umständen vollkommen übersieht, dass in der Mitte des Spielfelds ein Gorilla herumläuft.
Mir ist aufgefallen, dass ich mich intuitiv nach der Vorstellung »Weniger ist mehr« gerichtet habe, wenn ich Entscheidungen treffen musste (also gerade nicht nach der Methode vorging, auf dem Computer spaltenweise Pro- und Kontra-Argumente gegenüberzustellen). Wenn man mehr als einen Grund
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