Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
Vom Netzwerk:
Zukunft etwas hinzuzufügen, anstatt das Fragile wegzunehmen), und auch nicht die völlige Blindheit ihrer kompromisslosen Neomanie. Ich brauchte eine Weile, bis mir der Grund aufging: Was dort vollkommen fehlte, war Eleganz. Vordenker im Bereich der Technologie entwickeln einen »Technikgeist« – um es weniger höflich zu formulieren: Sie haben einen deutlichen Hang zum Autismus. Diese Typen tragen zwar keine Krawatten, dafür weisen sie aber sämtliche Charakteristiken eines typischen Nerds auf, als da wären die fast vollständige Abwesenheit von Charme sowie ein Interesse an Dingen und nicht an Menschen, was auch ihr nachlässiges Äußeres erklärt. Es liegt ihnen mehr an Präzision als an Anwendbarkeit. Und schließlich ganz typisch: Ein Interesse an Literatur, überhaupt literarische Bildung geht ihnen völlig ab.
    Diese Abwesenheit literarischer Bildung ist ein typisches Kennzeichen von Zukunftsblindheit, denn normalerweise geht sie einher mit einer Abwertung der Geschichte, einem Nebenprodukt bedingungsloser Neomanie. Abgesehen von der randständigen isolierten Gattung der Science-Fiction handelt Literatur immer von der Vergangenheit. Physik oder Biologie lernen wir nicht aus mittelalterlichen Büchern, aber wir lesen bis heute Homer, Platon oder den ganz und gar modernen Shakespeare. Wir können nicht über Skulpturen sprechen, ohne die Werke von Phidias, Michelangelo oder des großen Canova zu kennen. Sie alle gehören in die Vergangenheit, nicht in die Zukunft. Allein schon dadurch, dass er ein Museum betritt, nimmt der ästhetisch aufgeschlossene Mensch Verbindung mit den Älteren auf. Ob ausgesprochen oder unausgesprochen – er wird den Hang haben, historisches Wissen zu erwerben und zu respektieren, und sei es auch nur, um sich davon abzusetzen. Und wenn man mit der Vergangenheit richtig umgeht, ist sie, wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, ein weitaus besserer Führer zu den Eigenschaften der Zukunft als die Gegenwart. Um die Zukunft zu verstehen, braucht man keinen techno-autistischen Jargon, man muss nicht von »Killer-Apps« und derlei Dingen besessen sein. Nötig ist vielmehr ein gewisser Respekt vor der Vergangenheit, Aufgeschlossenheit für historische Aufzeichnungen, Neugier auf die Weisheit der Älteren und ein gewisses Verständnis für »Heuristiken«, die häufig nicht schriftlich festgehaltenen Faustregeln, die für das Überleben so entscheidend sind. Mit anderen Worten: Man kann gar nicht anders, als Dingen, die es schon lange gibt, mit Wertschätzung zu begegnen und sie als Dinge, die überlebt haben, ernst zu nehmen.
    Der ideale Einsatz von Technologie
    Technologie hat nun allerdings die Fähigkeit, die Ergebnisse schlechter Technologien zu beseitigen – durch Selbstsubtraktion. Die ideale Technologie ist unsichtbar. Ich bin sicher: Der segensreichste Einsatz heutiger Technologie besteht darin, die schädliche, unnatürliche, entfremdende und vor allem von Natur aus fragile Art von Technologie zu ersetzen, die ihr vorausging. Viele der modernen Vorgehensweisen, die bis heute überlebt haben, haben die schädlichen Effekte einer philisterhaften Modernität, wie sie vor allem für das 20. Jahrhundert kennzeichnend war, überwunden: die riesigen multinationalen bürokratischen Großunternehmen mit ihren ausschließlich aus leeren Anzügen bestehenden Firmenleitungen; die isolierte Kleinfamilie mit ihrer Einbahnbeziehung zum Fernsehgerät, die aufgrund ihrer typischen Wohnsituation in ausschließlich auf die Bedürfnisse von Autofahrern zugeschnittenen Vororten noch mehr isoliert wird; die Bevormundung durch den Staat, vor allem in militaristischen Nationalstaaten mit ihren Grenzkontrollen; die destruktive Gedanken- und Kulturdiktatur der etablierten Medien; die penible Kontrolle der Veröffentlichung und Verbreitung volkswirtschaftlicher Ideen durch die Scharlatane des ökonomischen Establishments – mittlerweile ist die Kontrolle großer Firmen über ihre Märkte durch das Internet bedroht; Pseudostarre wurde durch das Web aufgesprengt, und es gibt noch viele weitere Beispiele. Ich muss nicht mehr »1 drücken für Englisch« oder in einer Warteschleife am Telefon ausharren, bis ein unhöflicher Mensch am anderen Ende der Leitung die Buchung meiner Flitterwochen auf Zypern entgegennimmt. Bei aller Unnatürlichkeit des Internets hat es uns doch auch von diversen noch unnatürlicheren Elementen befreit. Beispielsweise macht der Umstand, dass immer weniger mit Papier gearbeitet

Weitere Kostenlose Bücher