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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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to Great mit überschwänglichen Prädikaten bedacht werden, nicht lange danach hinter den Erwartungen zurückbleiben, und dass man hier durch Leerverkäufe abnorme Profite machen kann.) Die schlimmsten Auswirkungen dieser Preise aber sind zum einen, dass diejenigen bestraft werden, die sie nicht bekommen, und dass zum anderen der gesamte Wissenschaftsbereich zu einer Art sportlichem Wettkampf herabgewürdigt wird.
    Wenn wir schon einen Preis brauchen, dann sollten wir ihn für »über hundert« vergeben: Es dauerte fast 140 Jahre, bis man die Tragweite der Erkenntnisse eines Jules Regnault ermessen konnte, der die Optionalität entdeckte und mathematisch beschrieb – im Zusammenhang mit dem, was wir als den Stein der Weisen bezeichnet haben. Bis dahin blieb sein Werk im Dunkeln.
    Wenn Sie eine Bestätigung für meine Auffassung brauchen, wie geräuschvoll und inhaltsleer zugleich Wissenschaft sein kann, nehmen Sie irgendein grundlegendes Lehrbuch zur Hand, das Sie in der Schule oder der Universität mit Interesse gelesen haben – ganz gleich aus welchem Fach. Schlagen Sie irgendein Kapitel auf und überprüfen Sie, ob das, was darin gesagt wird, noch von Bedeutung ist. Ich mache jede Wette: Vielleicht ist es langweilig, aber immer noch wichtig – oder es ist nicht langweilig und immer noch wichtig. Vielleicht haben Sie die Magna Charta von 1215 vor sich (Geschichte Englands), Caesars gallische Kriege (römische Geschichte), eine historische Darstellung der Stoa (Philosophie), eine Einführung in die Quantenmechanik (Physik) oder die genetischen Stammbäume von Katzen und Hunden (Biologie).
    Versuchen Sie anschließend, an das Protokoll irgendeiner Konferenz über das besagte Thema zu kommen, die vor fünf Jahren stattfand. Sehr wahrscheinlich unterscheidet sich die Lektüre dieses Protokolls kaum von der Lektüre einer Zeitung aus derselben Zeit (möglicherweise ist es sogar noch langweiliger). Wer also an bahnbrechenden Konferenzen teilnimmt, verschwendet womöglich seine Zeit genauso wie jemand, der einen mittelmäßigen Lottoschein mit geringen Gewinnaussichten erwirbt. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Papier, das hier vorgestellt wird, in fünf Jahren noch wichtig und interessant ist, ist nicht größer als eins zu zehntausend. So fragil ist die Wissenschaft!
    Selbst die Unterhaltung mit einem Lehrer oder mit einem wenig erfolgreichen Professor von einem College ist wahrscheinlich interessanter als die aktuellste akademische Veröffentlichung, weil sie weniger an Neomanie krankt. Meine aufregendsten Gespräche über Philosophie hatte ich mit französischen Lycée-Lehrern, die für ihr Thema Feuer und Flamme sind, aber kein Interesse an einer Karriere haben, die darin bestünde, Aufsätze darüber zu schreiben (in Frankreich wird Philosophie im letzten Jahr des Gymnasiums unterrichtet). Für jede Disziplin gilt, dass man – wenn es sich ergibt – am meisten von Gesprächen mit den Amateuren profitiert. Das Verhältnis karriereorientierter Wissenschaftler zur Wissenschaft entspricht dem von Prostituierten zur Liebe.
    Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass Sie hier und da auf eine echte Koryphäe stoßen, aber im Allgemeinen kann man davon ausgehen, dass die Unterhaltung mit einem Akademiker eher der Unterhaltung mit Klempnern gleicht und schlimmstenfalls derjenigen mit einer Concierge, die Klatschgeschichten der übelsten Sorte weitererzählt: Geschichten über uninteressante Leute (andere Akademiker), ergänzt durch inhaltsleeren Small Talk. Natürlich kann ein Gespräch mit einem Spitzenwissenschaftler fesselnd sein, der eine große Menge Wissen zusammengetragen hat und ein bestimmtes Thema so vollkommen anstrengungslos erörtern kann, dass sämtliche Kleinteile des Forschungsfelds sich zu einem beeindruckenden Ganzen zusammenfügen. Aber solche Menschen sind auf unserem Planeten derzeit leider sehr, sehr selten.
    Ich beschließe diesen Abschnitt mit folgender Anekdote: Einer meiner Studenten (dessen Hauptfach ausgerechnet Volkswirtschaftslehre war) bat mich, ihm eine Regel für seine Lektüreauswahl zu nennen. »So wenig wie möglich aus den letzten 20 Jahren, außer Geschichtsbüchern, die nicht die letzten 50 Jahre behandeln«, antwortete ich mit einer gewissen Ungeduld – ich hasse diese Art von Fragen zu den »besten Büchern, die ich je gelesen habe« oder den »zehn besten Büchern überhaupt«. Meine Liste der »zehn besten Bücher aller Zeiten« sieht zum Ende jedes Sommers anders aus. Ich

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