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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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Formel auf größere Risiken ein.
    Der illusionäre Charakter von Wahrscheinlichkeitsberechnungen: Taxifahrern und Großmüttern leuchtet dieser illusionäre Charakter sofort ein, in den hehren Hallen der Universitäten hingegen verpufft er offenbar. In seinem Buch The Measure of Reality (Crosby, 1997) formulierte der Historiker Alfred Crosby die These, was Westeuropa vom Rest der Welt unterscheide, sei die Besessenheit von Berechnungen und Vermessungen, die Verwandlung des Qualitativen in das Quantitative. (Was nicht ganz stimmt – die Menschen in der Antike waren ebenfalls versessen auf Berechnungen und Messungen, allerdings standen ihnen nicht die arabischen Zahlen zur Verfügung, mit denen kompliziertere Berechnungen angestellt werden konnten.) Crosby zufolge lernten wir, präzise Angaben über die Realität zu machen – und dieser Umstand war der Vorläufer der wissenschaftlichen Revolution. Crosby verweist auf die erste mechanische Uhr (und die damit verbundene Quantifizierung der Zeit), auf Seekarten und auf die Perspektivmalerei (die Quantifizierung des Raums) sowie auf die doppelte Buchführung (die den Zahlungsverkehr quantifizierte). Die Fixierung auf die Möglichkeiten des Berechnens und Messens setzte an den richtigen Orten ein, drang aber zunehmend in die falschen vor.
    Unser Problem ist, dass dieses Messen auch auf Gegenstände mit hohen – teilweise unendlich hohen – Messfehlern übertragen wurde. (Man denke nur an Fukushima.) Irrtümer in Mediokristan sind unwesentlich, diejenigen in Extremistan dagegen folgenschwer. Wenn Berechnungsfehler ungeheuer groß sind, sollten wir nicht mehr von »Berechnung« oder »Messung« sprechen. Natürlich kann ich den Tisch »vermessen«, auf dem ich diesen Text verfasse. Ich kann die Temperatur »messen«. Aber ich kann nicht zukünftige Risiken »messen«. Und ich kann auch keine Wahrscheinlichkeit »messen« – im Unterschied zu diesem Tisch bietet sie sich meiner Prüfung nicht an. Bestenfalls wird man zu einer spekulativen Schätzung dessen kommen, was geschehen kann.
    Bemerkenswerterweise zieht Hacking (2006) Fat Tails nicht einmal in Erwägung! Dasselbe gilt für Hald (1998, 2003), von Plato (1994), Salsburg (2001) sowie für Stigler (1990), der es eigentlich besser wissen müsste. Ein Buch, das schlechte Risikomodelle propagiert: Bernstein (1996). Daston (1988) stellt eine Beziehung zwischen Wahrscheinlichkeitsberechnung und Aufklärung her.
    Die Idee von der Wahrscheinlichkeit als quantitativer, nicht als qualitativer Größe macht uns in der Tat schwer zu schaffen. Und die Vorstellung, Wissenschaft sei gleichbedeutend mit fehlerfreiem Messen – was sie zu großen Teilen ja auch ist, aber eben nicht in allem –, verführt uns zu den unterschiedlichsten Fiktionen, Illusionen und Träumen. Eine vortreffliche Darstellung der Beziehung zwischen Wahrscheinlichkeit und Skeptizismus: Franklin (2001). Wenige andere Philosophen gehen zurück auf das eigentliche Problem der Wahrscheinlichkeit.
    Vierter Quadrant: Siehe die Darstellung im Schwarzen Schwan oder den Aufsatz Taleb (1999, auf der Homepage des Verfassers).
    Neues Risikomanagement auf dem Nuklearsektor: Privates Gespräch, Atlanta, INPO, November 2011.
    Anekdotisches Wissen, Macht des Beweises: Karl Schluze teilte mir in einem Leserbrief mit: »Ein alter Lehrer und Kollege empfahl mir (bei einem Glas Bourbon): ›Wenn Sie einem Hund den Kopf abschlagen und er bellt, dann müssen Sie das Experiment nicht wiederholen.‹« Beispiele dafür lassen sich leicht finden: Kein Anwalt würde ein »N=1«-Argument zur Verteidigung einer Person einsetzen, indem er vorbringt, »er hat nur einmal jemanden umgebracht«; niemand würde einen Flugzeugabsturz als »anekdotisch« bezeichnen.
    Ich würde weitergehen und Falsifikation als genau den Fall bezeichnen, in dem N=1 hinreichend ist.
    Es gibt Forscher, die empörenderweise ein Ereignis als »anekdotisch« bezeichnen, das eigentlich das genaue Gegenteil ist. Steven Pinker nannte John Grays Hinweis darauf, die beiden Weltkriege seien ein Beweis gegen Pinkers These vom Rückgang der Gewalt, »anekdotisch«. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Sozialwissenschaftler nur selten wissen, wovon sie reden, wenn sie das Wort »Evidenz« in den Mund nehmen.
    BUCH III: Eine prognosefreie Sicht der Welt
    Entscheidungstheoretiker, die Praktiker aufklären: Um das Maß der Kränkungen vollzumachen, arbeiten Entscheidungstheoretiker mit der Vorstellung des »Praktischen«, ein

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