Antiheld - Thriller (German Edition)
feilen, gegenseitig zu simsen, zu quatschen oder einfach Schlaf nachzuholen, der ihnen in der letzten Partynacht verwehrt geblieben war.
Niemand machte sich die Mühe seine Unterlagen aufzuheben oder ihm gar zurück auf die Beine zu helfen. Sie beachteten ihn nicht einmal. Doch kannte Andrew diesen Umstand bereits zu ge nüge.
Es klingelte. Zeit für die Schüler in ihre Klassen zu gehen. Anders als sonst, trotteten sie diesmal unaufgefordert auf ihre jeweiligen Räume zu. Dabei übersahen sie schier unbeabsichtigt den auf dem Bauch liegenden Mann. Einige male stiegen sie auf seinen Rücken, was besonders schmerzhaft war, wenn die Mädels mit ihren Stilettos auf ihn traten. Statt einer Entschuldigung erwarteten ihn bloß wieder die üblichen Beschimpfungen.
Trottel!
Idiot!
Maulwurf!
Andrew wartete. Blieb regungslos liegen, bis sich die Herde in ihre Säle eingefunden hatte. Erst dann begann er sachte seine lä dierten Glieder in Bewegung zu setzen, seine Utensilien zusam men zu raufen und ungesehen ins Lehrerzimmer zu schlurfen.
*
»Wenn ich in Sozialkunde durchfalle, dann werde ich bei den Cheerleadern rausgeworfen.«
Er konnte es gerade noch verhindern, gegen die junge Frau zu prallen, die hinter der Tür des Zimmers stand, während diese den Versuch unternahm, einen ihrer Lehrer zu becircen. Andrew beobachtete, wie die Kleine mit den falschen Wimpern klimperte und an einer gefärbten Haarsträhne spielte.
»Kommen Sie, Mister Keller. Sie müssten meine Note bloß um eine Wertung erhöhen. Mehr nicht!«
Stumm schlich Andrew zu dem bereits abgesessen Sofa, das unter dem Fenster des Raumes stand. Jedoch entschied er sich gleich darauf dagegen, aus Angst, ihn könnten Wurfgeschosse treffen, die durch das Fenster kamen.
»Wir haben dieses Thema doch bereits ausreichend diskutiert, Cindy.«
Das Mädchen schnaufte entrüstet. Dies schien keinesfalls die Antwort zu sein, die es sich erhofft hatte.
»Mister Keller, meine Eltern sind ziemlich streng. Die werden mir noch meinen Telefonanschluss kappen.«
»Eine wahre Tragödie«, meinte Keller scherzhaft. Er nahm gerade an einem der beiden Schreibtische platz, die meist für Kor rekturen der Hausaufgaben benötigt wurden. An dem anderen saß bereits Andrew, der die Geschichtsarbeiten auf der Tischfläche ausbreitete.
»Ich würde wirklich alles für eine bessere Note geben.«
Keller schwieg. Er schien in der Tat darüber nachzudenken. »Wirklich alles?«
Zögernd richtete Andrew seine Aufmerksamkeit auf den Mann, der mittlerweile lässig gegen den Stuhl gelehnt saß und sein Ge genüber mit verschränkten Armen betrachtete. Seine Hemdsär mel waren ein wenig nach oben gerollt worden, sodass man her vorragend die trainierten Unterarme erspähen konnte, die durch die Anspannung noch fester wirkten.
Andrew konnte nicht verhindern, dass er hinterrücks von Neid befallen wurde. Einem wie Keller machte man gerne anzügliche Angebote. Ihm selbst würde so etwas wahrscheinlich niemals pas sieren. Was hätte er auch schon außer einer Sehschwäche und ei nem knochig abgemagerten Körperbau zu bieten!?
»Da würde mir etwas passendes einfallen«, sagte Keller, wobei er aufstand, beide Hände flach auf die Tischplatte bettete und sich zu Cindy hinüber beugte. Kokett lächelnd beobachtete diese den Vorgang, darauf bedacht, ihre Brüste noch etwas mehr hinaus zu strecken.
»Ich schlage vor, dass du deine Nase nimmst, um sie in die Bücher zu stecken.« Kellers Worte riefen bei Cindy sichtliche Irritation hervor.
»Ich verstehe nicht ganz.« Zur Glaubhaftmachung schüttelte sie mechanisch den Kopf. Keller entblößte derweil eine Reihe perfekt aussehender Zähne.
»Damit meine ich, dass du für nächste Woche lernen sollst. Ich lasse dich eine Zusatzarbeit schreiben, damit du deine Note gege benenfalls verbessern kannst. Diese Ehre wird nur sehr wenigen zuteil.«
Zwar schien sich Cindy etwas weitaus anderes ausgemalt zu ha ben, doch verbarg sie ihre Enttäuschung. An deren Stelle mimte sie nun Freude.
»Danke, Mister Keller.« Sie zuckte ratlos die Schultern. »Dann bis nächste Woche!?«
»Auf Wiedersehen, Cindy.«
Er geleitete sie noch zur Tür hinaus, ehe Keller erneut zum Tisch trat. Dort angekommen fuhr er seufzend über sein Gesicht.
»Kinder. Sie glauben beileibe, dass es so einfach ist.«
Da Andrew davon ausging, dass Keller mehr zu seiner eigenen Person sprach, reagierte er erst gar nicht, sondern korrigierte un gehindert weiter.
»Zu
Weitere Kostenlose Bücher