Antonio im Wunderland
Schausteller
geköpft wurde?
Feixend betritt Francesco die Bühne, und dann
kommt ein ziemlich durchsichtiger Trick, für den Da-
vid Copperfield in Las Vegas wahrscheinlich geteert
und gefedert würde. Jedenfalls kracht die Guillotine
abwärts, ein Kopf fällt in einen Korb, und ich denke:
Na gut, so schlimm war’s nicht. Alle lachen. Nur Fran-
cesco nicht. Der liegt weiterhin auf dem Bauch und
rührt sich nicht.
Der Henker fordert ihn auf, sich zu erheben, aber
Francesco bleibt liegen, denn er ist vor lauter Aufre-
gung in Ohnmacht gefallen. Natürlich macht Furio
zahlreiche Fotos von den Wiederbelebungsversuchen
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der Schmetterlingsfrau und des Henkers. Sie erwecken
Francesco mittels leichter Wangenstreiche zum Leben,
und unter tosendem Applaus verlässt er bleich, aber
unversehrt die Bühne. Er hat sich mit seiner Perfor-
mance geradewegs in den Show-Olymp geschossen.
Auf diesen Triumph muss nun aber endlich mal ein
Bier getrunken werden. Wir ergattern einen Platz in ei-
nem der Biergärten, die aufgrund des Nieselregens
nicht ganz so voll sind, und bereits nach zehn Minuten
starrt mich Marco glasig an. Dieses Bier, so bemerkt er,
sei ja recht lecker, aber man trinke doch so einen Pokal
nicht wirklich ernsthaft aus, oder? Ich muss ihn da-
rüber belehren, dass es in Deutschland schlechtes Wet-
ter gibt, wenn man nicht austrinkt, und dass es sogar
angezeigt sei, das Glas zügig zu leeren, damit das Bier
nicht schal wird. Keine Ahnung, was schal heißt, ich
sage einfach, dass das Bier innerhalb von zwanzig Mi-
nuten schlecht wird. Da sich die Jungs nicht vergiften
wollen, trinken sie nun also für ihre Verhältnisse ziem-
lich flott. Danach gehen wir auf die Wilde Maus .
Das ist eine Art Anfänger-Achterbahn ohne Looping.
Auch das Tempo bleibt moderat, dafür sind die Räder
unter den Wagen so weit hinter dessen Front montiert,
dass man in den rechtwinkligen Kurven immer denkt,
der Wagen schösse geradeaus, was er aber im letzten
Moment eben doch nicht macht. Ich finde das zumut-
bar. In Anbetracht von Furios labilem Gemüt möchte
ich aber nicht mit ihm fahren, sondern nehme einen
Wagen mit Marco, der sich an meiner Jacke festkrallt
und wie irre kreischt. Wenig später fährt der Wagen los.
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Auf der Fahrt drehe ich mich immer wieder nach den
beiden Brüdern um und stelle fest, dass sie starr vor
Schreck oder Verzückung die Fahrt zu genießen schei-
nen. Da ich nach hinten schaue, konzentriere ich mich
nicht so auf die Fahrt und – knack – in der dritten Kurve
dreht sich mein Kopf wie von selbst in Fahrtrichtung,
und ein Nackenwirbel springt raus. Mein Chiroprakti-
ker verdient viel Geld mit unbelehrbaren Wiesnbesu-
chern.
Mir reicht’s für heute, es ist auch spät geworden. Auf
dem Weg zur U-Bahn kommen wir an einer Hühnchen-
braterei vorbei, wo wir einkehren, damit das Bier im
Bauch nicht so einsam ist. Die Brüder Furio und Fran-
cesco Pizzi und Marco Marcipane trinken noch je eine
Halbe zu ihrem Hähnchen und sind der Meinung, dass
sich der Besuch schon sehr gelohnt habe. Besonders
wenn wir morgen ganz früh in so ein Bierzelt gingen.
Zwischen U-Bahn und Campingplatz, also in mei-
nem Auto, wird Furio übel. Er müsse mal ganz kurz
aussteigen, übersetzt Marco. Leider geht das nicht, weil
wir uns auf einer Autobahn befinden. Na gut, dann eben
mal schnell die Scheibe runterfahren. Leider geht das
nicht, weil die Kindersicherung eingeschaltet ist. Na
gut, dann eben alles in eine Einkaufstüte, die zufällig
herumliegt. Leider geht das nicht, weil Furio kein Ziel-
wasser, sondern Bier getrunken hat. Na gut, dann eben
die Hälfte in mein Auto.
Ich liefere die drei auf dem Campingplatz ab und
überlasse sie ihrem Schicksal. Dann fahre ich nach
Hause und mache mein Auto sauber. Ich lasse alle vier
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Fenster auf, aber der Geruch bleibt. Anderntags hole
ich unseren Besuch wieder ab. Sara bleibt zu Hause,
denn sie findet, das sei ein Männerding, und da wolle
sie nicht stören. Sie geht gern aufs Oktoberfest, aber
immer nur mit ihren Freundinnen. Sie muss nie etwas
bezahlen. Frau müsste man sein. Das Leben wäre voller
kostenloser Unterhaltung.
Ich treffe Qui, Quo und Qua in einem erbärmlichen
Zustand an. Dabei bin ich selber versehrt, ich kann
meinen Kopf kaum bewegen wegen dieser dämlichen
Maus-Gondel. Trotz eines mörderischen Kopfschmer-
zes, den er sich nicht erklären kann, besteht Furio da-
rauf, uns ein
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