Antonio im Wunderland
Frühstück zu machen, welches aus einem
löslichen Kaffee und Cornflakes ohne Milch besteht,
die er so viel besser findet, weil sie nur ohne Milch richtig knusprig seien. Von nebenan kommt ein Wikinger
vorbei und lädt uns auf ein Partyfässchen Faxe -Bier ein.
Die Schweden reisen heute ab, und da lohne es sich
nicht mehr, zum Saufen extra in die Stadt zu fahren.
Wir lehnen dankend ab, denn wir brauchen unsere
Kondition noch. Dafür hat der Schwede Verständnis.
Francesco moniert den komischen Geruch in meinem
Auto, und dies ist der einzige Moment dieses Besuchs,
in dem sich meine sonst so gastgebermäßig dufte Lau-
ne etwas eintrübt.
Es ist Samstagmorgen, zehn nach zehn. Wie zu er-
warten war, sind die Zelte bereits ziemlich voll. Wer
einmal drin ist in einem solchen Bierzelt, muss übri-
gens drin bleiben, denn wenn man nach draußen geht,
um etwas von dem Bier wegzubringen, das man vor ei-
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ner halben Stunde getrunken hat, kommt man nicht
mehr hinein, auch nicht, wenn man dort Haustür-
schlüssel oder Ehefrau hat liegen lassen. Wer nicht oder
nicht wieder reinkommt, muss warten. Selbst weinen-
de Männer haben keine Lobby bei Türstehern und bei
F. Zapf erst recht nicht. Der steht vor uns und verwei-
gert den Einlass. Er sieht aus wie Asterix mit dem Kör-
per von Obelix. Sein mit einem riesigen blonden
Schnauzbart verzierter Schädel scheint zu gleichen Tei-
len aus Fett und Haaren zu bestehen. Diese Erschei-
nung hält Furio von jedem Versuch ab, sich ins Zelt zu
mogeln. Also telefoniert er ausführlich mit zu Hause,
um Bericht von der Lage zu geben und seine Mutter zu
bitten, sein AS-Roma-Trikot nicht zu waschen (Furio
ist 33 Jahre alt).
Das geht F. Zapf auf die Nerven. Man muss das auch
mal verstehen: Zehn Stunden lang hört sich Zapf das
Gemecker, Gewinsel, Gebrüll und Gezeter Hunderter
Menschen an. Und dann schreit ihm ein kleinwüchsi-
ger Südländer auch noch von der Seite ins Ohr. Als Fu-
rio zu Ende telefoniert hat und uns gerade erzählen
will, dass seine Oma im Supermarkt auf einem Fisch
ausgerutscht ist, von dem niemand wüsste, wie er da-
hin gekommen sei, weil es in dem Supermarkt gar kei-
nen Fisch gibt, zieht Zapf ihn zu sich hin.
«Mogst nei?», fragt er ihn drohend, aber mit einer
ziemlich drolligen Fistelstimme.
«Cosa?», fragt Furio zurück. Er hat wirklich Angst.
«Obst nei mogst?»
Furio sieht mich Hilfe suchend an. Auch ich fürchte
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mich vor F. Zapf, aber ich trage die Verantwortung für
Qui, Quo und Qua und kann sie nicht sich selber über-
lassen. Also sage ich: «Wir warten hier doch nur.»
«G’herst a zu dene do?»
«Ja, das sind mein Schwager und seine Freunde. Sie
sind über tausend Kilometer gefahren, bloß um heute
hier reinzugehen.»
Zapf lässt Furio los.
«Dausnd Killometr, wos? Ja, Herrschaft.»
Zapfs Miene hellt sich auf. Das findet er jetzt also
schon enorm, dass einer tausend Kilometer mit dem
Auto fährt, bloß um sich von ihm vermöbeln zu lassen.
«Seid’s ihr aus Idalien oder wos?»
«Aus Campobasso sind die.»
«Wos is’ jetz’ des?»
«Das ist in der Nähe von Neapel.» So ungefähr
stimmt das schon. Global betrachtet ist Kiel ja auch bei
Hamburg.
Zapf nickt mit seinem riesigen Kopf, ob er lächelt,
kann man nicht genau sagen, aber man wünscht es sich.
Und dann geschieht das Wunder von München. Zapf
schiebt uns vier mit einer sensenartigen Schaufelbewe-
gung an sich vorbei und sagt: «Kimmt’s eini.» Bis zur
Abreise wird dieses Wunder auf mich zurückgeführt.
Mit wenigen ruhigen Worten, so heißt es später, hätte
ich den Riesen überredet, und es floss nicht ein Euro,
was den Italienern fast schon spanisch vorkommt.
Innen weht uns der einzigartige Odem des Bierzeltes
entgegen. Tausende und Abertausende Menschen sit-
zen, tanzen, laufen, stampfen, rülpsen, brüllen, singen
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in schattenfreiem Licht unter einem künstlichen Him-
mel. In der Mitte eine Empore, auf der die Band gerade
das Mantra der Gemütlichkeit spielt. Rechts und links
Balkone, von denen aus man wie ein römischer Kaiser
auf den Pöbel schauen kann. Und überall Frauen, gro-
ße Frauen. Qui, Quo und Qua sind überwältigt. Mehr
noch. Sie können nicht fassen, was sie sehen. Eine Rie-
sin, die einen Haufen Bier an uns vorbeiträgt, rüffelt
uns an, wir stehen im Weg.
Das geht natürlich nicht, außerdem bekommt nur
Bier, der auch sitzt. Also suchen wir uns ein Plätzchen.
Zu viert muss
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