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Antonio im Wunderland

Antonio im Wunderland

Titel: Antonio im Wunderland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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    men, die Carbones persönlich in seinem Heim zu be-
    grüßen, und öffnet die Tür. Pino ist nicht alleine ge-
    kommen. Er hat seine Frau, seine Mutter, zwei seiner
    Brüder und deren Frauen sowie eine unübersehbare
    Schar von Kindern dabei. Und ziemlich viele Plastiktü-
    ten. Sie haben auch ein Geschenk mitgebracht, näm-
    lich eine Fahne mit dem Wappen von Queens. Antonio
    verspricht, sie am Fahnenmast seiner Villa in Deutsch-
    land wehen zu lassen. Wahrscheinlich meint er damit
    die Birke vor seinem Haus. Unsere fünfzehn Freunde
    aus Queens inspizieren staunend, aber doch mit einer
    gewissen Lässigkeit, unser Heim. Sie sagen «Ah» und
    «Oh», und die Frauen nehmen die Gardinen in die
    Hand. Rosa macht sich in der Küche sofort daran, die
    Lebensmittel auszupacken. Ich zeige den Kids den
    Fernseher, die DVDs und die Playstation, welche unter
    großem Geschrei sofort in Betrieb genommen wird.
    Damit der Zuckerspiegel bei den Kindern nicht so
    rasch sinkt, bestelle ich für ungefähr 200 Dollar Cola
    beim Zimmerservice.
    Pino ist sehr angetan von unserem fürwahr mär-
    chenhaften Wohlstand. Er hatte Antonio schon für ei-
    nen netten Burschen, aber dann doch für einen Auf-
    schneider gehalten, als dieser beim Grillen von seinem
    Reichtum erzählt hatte und von seiner Villa in Deutsch-
    land. Aber er scheint es ja nun tatsächlich zu etwas ge-
    bracht zu haben. Antonio wird den Teufel tun und Pino
    die Wahrheit sagen. Er wedelt mit den Knicks-Tickets
    vor Pinos Nase herum und erklärt ihm, dass er zur Feier
    des Tages und zum Abschied von New York nun noch
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    mit seinen Schutzbefohlenen zum Baseball geht. Dass
    die Knicks Basketball spielen, ist ihm wurst.
    Macht auch nichts, das geht in dem Trubel unter, der
    nun entsteht, weil Rosa und die anderen Damen in den
    rosa Blusen das Essen auftragen. Es gibt allerhand Klei-
    nigkeiten vom Markt, frittierte Zucchiniblüten und alle
    möglichen Oliven. Später werden Nudeln gereicht, ei-
    nige Fische und kleine Blätterteigschweinereien mit
    süßen Cremes darin. Die Kinder amüsieren sich dufte,
    besonders als sie entdecken, dass die Badewannen
    Luftdüsen haben. Es lässt sich auf diese Weise bereits
    unter Einsatz von sehr wenig Badezusatz eine schon
    hollywoodmäßige Menge an Schaum fabrizieren, und
    zwar in allen drei Bädern.
    Es ist ein sehr spaßiger Nachmittag, sogar für mich,
    denn ich trage hier nicht die Verantwortung. Robert De
    Niro ist schließlich Antonios Kumpel und nicht meiner.
    Es geht dann auch fast nichts kaputt, außer einer riesi-
    gen Vase, in der sich der achtjährige Tinto Carbone vor
    seinem Bruder versteckt hat. Der findet ihn nicht, über-
    haupt findet ihn niemand, auch seine Mutter und die
    Schwägerinnen sowie sämtliche Väter. Es macht sich
    gerade eine gewisse Hysterie breit, als Benno verschla-
    fen ins Wohnzimmer kommt. Er trägt eine braun-weiß
    gestreifte Unterhose, was ein grauenhafter Anblick und
    echt keine Werbung für die deutsche Unterhosenin-
    dustrie ist, und er versteht die ganze Unruhe nicht.
    «Benno, hast du irgendwo einen achtjährigen Jungen
    gesehen?», frage ich ihn.
    «Nä. Aber dahinten stehtene heulende Blumenvase.»
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    Er zeigt auf seine Zimmertür, und tatsächlich dringen
    aus der schwarzen Vase, die neben dem Eingang auf
    dem Flur steht, verzweifelte Laute. Tinto hat sich mit
    dem ganzen Körper dort hineingewurstelt und kommt
    jetzt nicht mehr raus.
    Sein Vater Osvaldo, Polizist in Brooklyn und Bruder
    von Pino, fordert ihn ultimativ dazu auf, die Vase zu
    verlassen, aber Tinto kann nicht. Er bekommt den Kopf
    nicht mehr aus der Öffnung.
    «Lass mal die Luft aus dem Kopf raus», rät Antonio.
    «Mit den Händen zuerst», rät Pino.
    Aber es nutzt nichts. Das Kind in der Vase wird all-
    mählich panisch und brüllt wie am Spieß. Die Männer
    drehen ihn mitsamt der Vase um und sehen nach, ob
    unten eventuell auch ein Loch ist. Antonio schlägt vor,
    ihn einfach herauszuschütteln, aber Rosa ist dagegen.
    Schließlich wird Benno die Sache zu blöd. Er kann
    Kinder nicht ausstehen, und wenn sie schreien, be-
    kommt er die Motten. Er holt einen Feuerlöscher aus
    der Küche und hämmert damit präzise gegen den
    Bauch der Vase, worauf sie zerspringt und das greinen-
    de Kind gerettet ist. Jahrelang geübt im Zertrümmern
    von Überraschungseiern, hat er keine Skrupel mehr.
    Die Familie Carbone verabschiedet sich wenig später
    und bedankt sich für den schönen Tag. Zurück

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