Antonio im Wunderland
euch irgendwann einmal wiederzusehen. Anbei
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die Karten für die Knicks. Vertretet mich würdevoll.
Euer ergebener Robert.»
Die drei Tickets liegen im Umschlag.
«Und jetzt?», rufe ich. Ich habe keine zündende Idee,
was man nun mit den 413 Quadratmetern dieser Suite
anfangen könnte.
«Wir rufene der Pino an und machen ein kleine Ein-
ladung», schlägt Antonio vor.
Klaro, denke ich, jetzt machst du hier einen auf Graf
Koks. Andererseits hat er Recht. Wir könnten hier ei-
nen schönen Nachmittag mit den Carbones verbringen
und abends zum Spiel gehen. Das wäre ein würdiger
Abschluss unserer Reise. Und außerdem: Es ist Anto-
nios Reise. Ohne ihn wären wir nicht in dieser Funkel-
bude gelandet. Also soll er ruhig bestimmen. Ich krame
die Telefonnummer der Carbones aus meiner Hosenta-
sche, und Antonio ruft seinen Kumpel in Queens an.
Ich höre nur Bruchteile des Gesprächs, welches knapp
zwanzig Minuten dauert. Antonio spricht in seinem
Schlafzimmer, sitzt dabei auf einem überdimensiona-
len Bett. Seine Füße baumeln in der Luft. Als er sein Te-
lefonat beendet hat, teilt er uns mit, dass die Carbones
sehr gerne kommen und eine Kleinigkeit mitbringen.
Wir hätten noch zwei Stunden Zeit, bis sie da seien. Ich
beschließe, ein Bad zu nehmen, und verziehe mich mit
dem Champagner.
Benno und Antonio schalten den Riesenfernseher
ein und sehen sich eine Sendung an, in der Polizisten
hinter jugendlichen Verbrechern herjagen und eine
halbe Frau aus dem Schlund eines Alligators zerren. Al-
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les keine Tricks, das passiert hier jeden Tag. Und im-
mer ist eine Kamera dabei. Ich lasse mir ein Bad einlau-
fen und rufe zu Hause an. In der Wanne liegend kann
ich auf die Fifth Avenue sehen. Es ist phantastisch, die-
ses Gotham. Sara ist dran.
«Schön, dass du dich mal meldest. Wir haben schon
gedacht, ihr seid verschollen. Geht es euch gut?», will
sie wissen.
«Uns geht’s hervorragend. Wir wohnen in der Suite
von Robert De Niro.»
«Ja, klar. Bennos Mutter hat angerufen und gefragt,
wie lange sie noch im Heim bleiben muss. Ich habe ihr
gesagt, dass ihr morgen zurückfliegt.»
«Soll ich ihm was ausrichten?»
«Er soll seine Pillen nehmen. Ich vermisse dich.»
Wir sprechen kurz über zu Hause. Jürgen diktiert Ursu-
la die ganze Zeit Rezepte. Es gibt seit einer Woche Tofu
und Sojakrempel mit Grünkern und Dinkel und undurch-
sichtigen Gemüsesäften. Er hält Ursula und Sara lange
Vorträge über seine Ernährungsprinzipien und darüber,
dass er mit seinen Krankenkassenbeiträgen ihre Lebens-
weise finanzieren müsse, was ihm ein Gräuel sei. Lorella
hat im Wohnzimmer ein Windspiel mit langen Metallroh-
ren aufgehängt, an dem sich alle ständig den Kopf sto-
ßen. Dafür macht es dann aber auch ein sehr beruhigen-
des Geräusch. Zu Hause ist also alles in Ordnung.
«Und was habt ihr die ganze Zeit gemacht?», will sie
dann wissen. Was soll ich darauf sagen: «Wir haben ei-
nen Gärtner gesucht, sind ein paar Mal verhaftet wor-
den, haben uns in einem Restaurant geprügelt und ei-
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nen Dinosaurier kaputtgemacht», antworte ich wahr-
heitsgemäß.
«Aha, sicher. Na ja, du kannst mir ja alles erzählen,
wenn du wieder da bist.»
Die Beschreibung der Aussicht aus meiner Bade-
wanne kommentiert sie nicht groß. Wir verabschieden
uns, und nachdem ich aufgelegt habe, lasse ich mich
ins warme Wasser rutschen.
Nach einer guten Stunde in der Badewanne fühle ich
mich wie Jennifer Lopez und bin leicht angetrunken
von dem Champagner. Ich rasiere mich, ziehe saubere
Sachen an und sehe nach Benno und Antonio. Benno
schläft. Er hat seinen Rauchverzehrer angemacht. An-
tonio hingegen steht an der Panoramascheibe und sieht
auf die Stadt hinab.
«Das iste zu groß fur ein kleine Mann», sagt er. Auch
er hat sich frisch gemacht. Um ihn herum duftet es
stark. Mein Schwiegervater ist eigentlich eine Mensch
gewordene WC-Ente. Wir stehen eine Weile schwei-
gend vor dem Fenster, dann klingelt das Telefon. Ich
gehe dran. Es ist die Rezeption.
«Sir, Ihr Besuch ist da. Darf ich die Herrschaften zu
Ihnen bringen lassen?»
«Welche Herrschaften?»
Kurzes Gewisper auf der anderen Seite.
«Carbone, Sir. Sie sagen, Sie seien verabredet.»
«Ach stimmt. Ja, natürlich.» Für einen Moment hatte
ich unseren Besuch vergessen. Wenig später klingelt
es an der Tür. Antonio, der in Badelatschen des haus-
eigenen Spas unterwegs ist, lässt es sich nicht
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