Antonio im Wunderland
bleiben
etwa zwanzig Kubikmeter Badeschaum sowie eine in
Trümmer liegende Vase und die Reste eines typischen
italienischen Familienessens. Bevor wir zum Spiel ge-
hen, haben wir noch etwas Zeit. Ich versuche, die
Scherben verschwinden zu lassen, aber es sind zu viele,
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um sie im Klo hinunterzuspülen. Außerdem liegen die
Toiletten unter Schaum, was auch Benno verdrießt. Ich
wühle eine Weile in der Sauerei herum, aber ich bin es
bald leid und beschließe, mich aus den Säuberungsar-
beiten herauszuhalten. Ich ziehe mich um und lese in
den herumliegenden Einrichtungsheften, die mir für
die Esszimmerstühle meines Hauses in den Hamptons
in diesem Jahr mintgrüne Hussen empfehlen.
Gegen 20 Uhr rufe ich in der Rezeption an und
bestelle unseren Fahrer. Benno hat inzwischen zum
Glück wieder seine Hose – dieselbe wie immer – ange-
zogen. Franklin holt uns persönlich in unserer Suite ab.
Ich verstelle ihm den Weg, damit er nichts von dem
Schaum- und Scherbeninferno sieht. Ich will nicht,
dass er einen falschen Eindruck von uns bekommt. Wir
gehen hinunter auf die Straße und steigen ins Auto.
«Sie haben Badeschaum hinterm Ohr, Sir», sagt
Franklin diskret. Ich wische ihn ab, und er gondelt ge-
mächlich die Fünfte hinunter, Richtung Penn Station,
wo der Madison Square Garden liegt. Dort angekom-
men, lässt er uns aussteigen, und wir betreten die heili-
gen Hallen amerikanischer Unterhaltungskultur. Ich
kaufe drei Clubjacken und dazu passende Mützen,
denn ich will nicht unangenehm auffallen.
Unsere Plätze sind nicht gut. Es sind auch nicht be-
sonders gute Plätze. Es sind die besten. Erste Reihe,
hinter der Spielerbank. Wir werden fotografiert, weil
man uns für wichtig hält, was Antonio sofort akzeptiert
und gönnerhaft in die Kameras winkt. Fast 20 000 Men-
schen sitzen, futtern, pupsen und brüllen hier. Es ist
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atemberaubend. Benno bekommt nicht sehr viel davon
mit, weil er mehrfach zur Toilette muss und erst zum
Ende des Spiels konzentriert dabei ist. «Und welsche
von denen sind nun die Amis?», fragt er. Die Knicks
gewinnen das Match mit 110 zu 96 Punkten.
Nach dem Spiel wartet Franklin vor dem Eingang auf
uns. Er bringt uns zurück zum Hotel. Ich habe noch
keine Lust, in unsere von einer Wanderameisenarmee
zerstörten Gemächer zu gehen, und überrede Antonio
und Benno zu einem Drink in der Bar auf dem Dach des
Hotels. Ich entspanne mich bei einem Bier im Gegen-
wert eines Krefelder Drei-Gänge-Menüs und sehe in die
schwarze Silhouette der Häuser ringsum. Benno und
Antonio sind mal wieder in eines ihrer Privatgespräche
versunken. Da habe ich keinen Zugang. Ich werde nie
ergründen, worüber sie sich da leise tuschelnd unter-
halten. Womöglich über mich.
Irgendwann müssen wir wieder hinunter, hilft ja
nichts. Mir graut davor, nun noch zwei Stunden lang
den verdammten Schaum zu beseitigen, und ich weiß
auch gar nicht, wie das gehen soll. Vielleicht kann man
ihn anzünden. Als wir unsere Suite betreten, habe ich
den Eindruck, es sei jemand da gewesen. Und das
stimmt auch. Die Badezimmer sind vollkommen sau-
ber, keine Spur von Schaum. Und die Vase ist auch
weg. Es steht eine neue da, sie ist grün. Es ist, als habe ich das alles nur geträumt.
«Siehste, das iste ein Hotel mit Diskretion und der per-fezione in Service», sagt Antonio und geht ins Bett. Warum mache ich mir eigentlich immer so viele Gedanken?
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Benno und Antonio haben sich dazu entschlossen, auch
die letzte Nacht gemeinsam in einem Zimmer zu
verbringen. Reichtum macht nämlich einsam.
Mein Bett ist breit, sehr breit, zu breit für einen al-
lein. So langsam möchte ich dann auch wieder nach
Hause zu meiner Frau. Im Fernsehen läuft Sport, das
Spiel von heute Abend. Ich sehe noch einmal diese un-
glaubliche Halle, diesen Schnellkochtopf für Amerika-
ner. Die Kamera zoomt die ersten Zuschauerreihen ab,
wo immer die Prominenten sitzen.
Sportreporter 1: «Hier sitzt Puff Daddy, er trägt einen
Anzug aus seiner eigenen Kollektion.»
Sportreporter 2: «Ja, und da ist Bono, wie immer mit
Sonnenbrille. Aber wer ist das?»
Sportreporter 1: «Wer? Der da? Keine Ahnung, er
winkt uns mit etwas. Ist das eine Fahne?»
Sportreporter 2: «Ganz recht, das ist eine Fahne. Es
ist die Fahne von Queens. Keine Ahnung, wer das ist,
aber er winkt mit der Fahne von Queens.»
Jungs, ich kann euch sagen, wer das ist: Antonio
Marcipane aus Kempen am Niederrhein, der
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