Antonio im Wunderland
Ich sage ihm den Namen und die Adresse un-
serer Absteige, und er ist erschüttert.
«Das ist ja furchtbar. Morgen zieht ihr dort aus.»
Ich finde das nett, versuche aber, ihn davon abzuhal-
ten, uns einzuladen. Dieses ganze Star-Ding absorbiert
schon genug von meiner Lebensenergie. Es ist wirklich
anstrengend, mit ganz berühmten Menschen zusam-
men zu sein.
«Keine Widerrede. Ich lasse euch morgen um zehn
abholen. Ich kann einen Molisaner nicht in so einem
Loch wohnen sehen.»
Wenig später haut der Verlagsmensch nebst Frauen
ab, nachdem er die ganze Rechnung übernommen hat.
Bin sehr einverstanden damit.
Wir reden noch lange und sind tüchtig bezecht, als
Robert De Niro uns von einem Fahrer ins Hotel bringen
lässt. Die letzten zwei Stunden haben mich vollkommen
durcheinander gewirbelt. In meiner Hand halte ich ein
Stück Papier mit Roberts Mobiltelefon-Nummer. Ich
soll ihn anrufen, wenn irgendetwas am Hotel nicht in
Ordnung geht. Außerdem hat er uns zu einem Basket-
ballspiel eingeladen, morgen Abend im Madison Square
Garden.
Ich bringe Benno und Antonio auf ihr Zimmer, und
Benno stellt die Pflanze neben seinen Rauchverzehrer.
Dann verschwindet er im Bad. Antonio ist noch ganz
verstrahlt. Ich umarme ihn, denn ich bin voller Scham.
263
«Verzeih mir, dass ich wegen Mauro an dir gezwei-
felt habe», sage ich.
«Habi gesagte, wir finden ihn und haben ihn gefun-
den», antwortet er, als sei das von vornherein klar ge-
wesen.
«Ja, du hast Recht, Toni Casinista.»
Darauf lacht er und gibt mir einen Kuss. Man kann
einfach nichts gegen ihn ausrichten. Ich ermahne ihn,
seine Sachen bis zum Frühstück beisammen zu haben,
damit wir umziehen können. Ich bin mal gespannt,
wohin es geht. Im Fernsehen läuft ein Vorbericht für
das Spiel der New York Knicks gegen die LA Clippers,
es ist ausverkauft.
Am nächsten Morgen zahle ich unsere Zimmer. An-
tonio bat mich, ihm das Geld vorzuschießen, denn er
hat fälschlicherweise angenommen, er könnte hier mit
seiner Sparkassen-Karte auftrumpfen. Dem Mann an
der Rezeption erklärt er, wir müssten leider gehen, weil
sein alter Freund Robert De Niro uns zu sich eingela-
den hätte.
«O wirklich, Sir? Das ist aber sehr schön», antwortet
der Bursche mit der typischen Höflichkeit eines New
Yorker Hotelangestellten, dem deutlich anzumerken
ist, dass er uns für ausgemachte Spinner hält. Beim
Frühstück sind wir still, ich habe keinen großen Appe-
tit, das ist die Aufregung. Die ganze Sache entwickelt
sich irgendwie surreal. Dann stehen wir in der Hotel-
lobby und warten auf den Chauffeur.
Und wenn er nicht kommt? Wenn Robert De Niro
sich bloß einen Spaß mit uns erlaubt hat? Vielleicht
264
sind wir schon wieder vergessen, und er ist längst auf
dem Weg nach irgendwohin, wo Stars so hinfliegen. So
wird es sein, denke ich. Und seine Telefonnummer
wird nicht stimmen, ich werde sie jedenfalls nicht aus-
probieren, so viel Stolz habe ich immerhin. Ich gebe
ihm noch zehn Minuten. Wenn sein Fahrer dann nicht
hier ist, werde ich an die Rezeption gehen und wieder
einchecken. Ich werde dem Typ sagen, dass Robert lei-
der Mumps bekommen habe und wir unsere Zimmer
gerne wieder zurückhätten.
Eine Minute vor Ablauf der Frist erscheint der Fahrer
dann doch in der Lobby. Er entschuldigt die Verspä-
tung, man hätte die Suite noch herrichten müssen und
er wollte uns nicht abholen, ohne sich zu vergewissern,
dass alles auf seinem Platz sei. Eine Suite. Na hör mal.
Antonio stellt sich in Millisekunden auf seine Beförde-
rung zur Raubtierklasse im Zirkus des Lebens ein und
lässt den Fahrer seinen Koffer ins Auto schleppen.
Grußlos verlässt er die Lobby des Hotels, das er erst vor
wenigen Wochen mit großer Geste gebucht hat. Ben-
nos Koffer bringt den Chauffeur schier zur Verzweif-
lung, ich muss ihm helfen. Die Topfpflanze und den
Rauchverzehrer stellt Benno auf seinen Schoß, als der
Fahrer einsteigt und losfährt.
«Wo geht’s denn jetzt hin?», frage ich ihn.
«Nur ein paar Blocks weiter, Sir. Mister De Niro hat sich erlaubt, Sie im Peninsula unterzubringen.» Es klingt fast so, als hielte er das für übertrieben. Am Hotel angekommen, wieseln sofort ein paar unterwürfige Gestalten
um das Auto herum und begleiten uns unter großem
265
Sir-Sagen in die Lobby, wo die Managerin uns bereits
erwartet. Benno kann ihr nicht die Hand geben, er hat ja
Rauchverzehrer und Pflanze im Arm. Aber Antonio
Weitere Kostenlose Bücher