Anubis 02 - Horus
nicht aus Höflichkeit. Ich meine es ernst. Ich weiß, dass Sie sich vielleicht … etwas anderes erhofft haben, aber das hätte keinen Sinn. Ich habe Ihnen erzählt, wer ich bin. Was ich bin. Ich würde Ihnen nur Unglück bringen. Aber ich schätze Sie als einen ebenso aufrechten wie ehrlichen Mann.«
»Ich verstehe.« Maistowe räusperte sich unecht. »Es tut mir leid. Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Ich bitte um Verzeihung.«
»Da gibt es nichts, was ich Ihnen verzeihen müsste, Kapitän.« Bast lachte leise. »Welcher Frau schmeichelt es nicht, wenn ihr ein Mann den Hof macht? Die meisten geben es nur nicht zu, das ist alles.« Sie zwinkerte ihm zu. »Bleiben wir trotzdem Freunde?«
»Selbstverständlich.« Maistowe gab sich alle Mühe, sich zu beherrschen, aber Bast spürte trotzdem, dass er um seine Selbstbeherrschung kämpfte. Unendlich behutsam nahm sie ihm zumindest seine ärgste Enttäuschung – und den allergrößten Teil der Scham, die er plötzlich empfand. In Basts Augen gab es nicht den mindesten Grund dafür, aber es gab selbst nach all der Zeit noch immer Dinge, die sie bei diesen Sterblichen einfach nicht verstand.
Sie gingen weiter. Das Gefühl einer lautlosen Gefahr war noch immer da, wurde aber nun von dem Aufruhr an Empfindungen, den sie zu ihrer eigenen Verblüffung ebenfalls verspürte, nahezu überlagert, und wahrscheinlich war es ohnehin nur Einbildung gewesen. Maistowe schwieg auf den ersten zwei oder drei Dutzend Schritten, und Bast konnte ihm regelrecht ansehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete, und schließlich verlegte er sich auf den hoffnungslos unzulänglichen Versuch, Konversation zu machen. Er begann ihr die Gebäude, Denkmäler und Parks zu erklären, an denen sie vorüberkamen, und Bast versuchte immerhin, Interesse zu heucheln. Insgeheim war sie allerdings erleichtert, als sie sich endlich dem Victoria Embankment näherten und sich die Silhouette der kleinsten der drei Nadeln der Kleopatra wie ein mahnend ausgestreckter Zeigefinger vor ihnen in den Nachthimmel erhob. Unverzüglich wollte sie auf die Straße hinaustreten und den Weg auf diese Weise abkürzen, und Maistowe ergriff sie hastig am Arm und riss sie zurück.
Keinen Moment zu früh. Ein vierspänniges und ebenso großes wie bizarres Gefährt rumpelte auf schweren eisenbeschlagenen Rädern vorüber; so dicht, dass sie den sachten Luftzug spüren konnte, den die mannshohen Speichenräder verursachten.
»Vorsicht!«, mahnte Maistowe. »Sie wollen doch nicht unter die Räder kommen, oder?« Er lachte unecht, wirkte aber mindestens ebenso erschrocken wie sie, und nach einem weiteren Atemzug zog er die Hand hastig zurück und sah irgendwie so aus, als wollte er sich dafür entschuldigen, sie überhaupt angefasst zu haben.
»Was … war das?« Bast sah dem sonderbaren Gefährt, das sie um ein Haar überrollt hätte, erschrocken nach. Es bot wirklich einen bizarren Anblick: Es war tatsächlich eine Art Droschke, wenngleich auch die größte, die sie jemals gesehen hatte. Obgleich von nur zwei Pferden gezogen, war sie mindestens fünfmal so lang und deutlich breiter als eine normale Kutsche und hatte zahlreiche Fenster, durch die man in ihr von Petroleumlampen erhelltes Inneres sehen konnte. Bast machte eine Anzahl unbequem aussehender, hölzerner Sitzbänke aus, auf denen sich vielleicht ein Dutzend Männer und Frauen befanden – und damit war das seltsame Gefährt noch nicht einmal annähernd besetzt.
»Die Tram«, antwortete Maistowe. Er zog eine Grimasse. »Die neueste Idee der Londoner Stadtverwaltung. So etwas wie eine Kutsche, die stets denselben Weg fährt und an bestimmten Punkten anhält, um Fahrgäste einzusammeln. Eine völlig verrückte Idee, wenn Sie mich fragen. Das wird niemals funktionieren.«
Bast fand den Einfall gar nicht einmal so schlecht, aber sie sagte nichts dazu. So bizarr ihr das davonrumpelnde Gefährt auch vorkam, viel mehr erschreckte sie die bloße Tatsache, dass es Maistowe gewesen war, der sie gerettet hatte. Sie hatte das heranrollende Fahrzeug nicht einmal gehört! Und das hätte einfach nicht passieren dürfen!
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Maistowe besorgt.
»Ja, sicher«, antwortete Bast. »Ich war nur … erschrocken.«
»Die Segnungen der modernen Zeiten«, philosophierte Maistowe. »Nicht alles was modern ist, ist deswegen auch automatisch gut.« Sein Blick wurde ehrlich besorgt. »Können Sie weitergehen?«
Bast beantwortete seine Frage, indem sie ganz genau
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