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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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durch das Fenster, strich über die jetzt zum größten Teil dunkel daliegenden Gebäude und den Himmel, der von einer sonderbaren Klarheit war, aber auch so finster, wie man es selten erlebte, selbst in einer so großen Stadt wie London.
    Sie ließ sich zurücksinken, schloss die Augen und atmete die kalte, klare Nachtluft ein. Das Tasten und Regen tief in ihrem Inneren wurde stärker, und während Arthur seine Peitsche knallen ließ und das Tempo der Kutsche steigerte, begann sich ein sachtes, erwartungsvolles Lächeln auf ihren Lippen breitzumachen, ohne dass sie selbst es auch nur spürte.
    Das Raubtier war erwacht.
    Und vor ihm wartete eine ganze Stadt voller Beute.

    Die Fahrt dauerte nicht so lange, wie sie erwartet hatte. Bast hatte die Gardinen vor den schmalen Fenstern schließlich wieder geschlossen und sich zurückgelehnt und ihre Gedanken treiben lassen, aber ihr war natürlich dennoch nicht entgangen, dass die Fahrt – wenn auch in scharfem Tempo – nicht sehr viel länger als zehn Minuten gedauert hatte, bevor der Wagen wieder langsamer wurde, und sie ahnte bereits, in welchem Maße sich ihre Umgebung verändert hatte, noch bevor sie sich wieder aufrichtete und die Gardine zurückzog.
    Sie erlebte trotzdem eine Überraschung. Der Wagen wurde immer langsamer, was auch daran lag, dass die Straße voller Menschen war, sodass Arthur sein Gefährt nur noch im Schritttempo durch die Menge bugsieren konnte. Zum Teil lag dies in der Enge der Straße begründet: Die schmalbrüstigen und in den seltensten Fällen mehr als zweigeschossigen Häuser standen sich nahe genug gegenüber, dass ihr Fahrer wohl ein Problem bekommen hätte, wäre ihm auch nur ein zweites gleichartiges Gefährt entgegengekommen. Außerdem war es dunkler, als sie erwartet hatte, denn von den in regelmäßigen Abständen angebrachten Gaslaternen brannte nur jede dritte oder vierte. Doch trotzdem und ungeachtet der bereits fortgeschrittenen Stunde war die Straße noch voller Menschen; zum Großteil Paare, die Hand in Hand oder auch in sittsamem Abstand nebeneinander flanierten oder einfach auf dem Gehsteig vor den Häusern standen und redeten. Manche drückten sich auch in einem Hauseingang herum oder gegen eine Mauer gelehnt, küssten sich oder zeigten sich noch weniger zurückhaltend, und aus etlichen offen stehenden Türen drangen Gelächter und schrille, viel zu laute und zumindest in Basts Ohren nur zu oft misstönende Musik.
    Die Kutsche kam mit einem sanften Ruck endgültig zum Stehen, und Bast stieg rasch aus und ging nach vorne, um Arthur die Mühe zu ersparen, eigens vom Wagen heruntersteigen zu müssen. Er war sicher schon den ganzen Tag auf den Beinen, und vermutlich tat ihm jeder Knochen im Leib weh, vor allem, seit er ihr Gepäck in die Pension und die Treppe hinaufgetragen hatte, was ihr im Nachhinein beinahe ein schlechtes Gewissen bereitete.
    »Das hier ist die richtige Straße?«, vergewisserte sie sich. Ihre Stimme klang selbst in ihren eigenen Ohren zweifelnd.
    »Die Adresse, die auf Ihrem Zettel gestanden hat, Miss«, antwortete er. Es war nicht zu übersehen, dass er sich nicht wohl fühlte; nicht in dieser Gegend und auch nicht dabei, sie allein hier abzusetzen. Aber er besaß auch nicht den Mut, ihr seine Begleitung anzubieten – auch wenn es ohnehin nicht mehr als eine Geste gewesen wäre. »Whitechapel.«
    Bast konnte nirgendwo eine Kirche entdecken, weder in weiß noch in irgendeiner anderen Farbe, aber sie konnte ohnehin nur ein kurzes Stück der Straße unmittelbar vor ihr ausmachen; vielleicht ein halbes Dutzend Gaststätten und einschlägiger Häuser, die sich unmittelbar vor ihnen erhoben und mit ihrem Lärm und dem aufdringlichen Licht den Eindruck erweckten, viel zahlreicher zu sein. Alles was dahinter lag, war in nahezu vollkommene Dunkelheit gehüllt, doch Basts scharfe Sinne verrieten ihr trotzdem, dass es dort vielleicht dunkel, aber keineswegs still oder gar verlassen war.
    Und nicht nur ihre Sinne. Etwas in ihr spürte das Leben und das aufgepeitschte Miasma entfesselter Sinneslust und purer ani malischer Gier in dieser Dunkelheit und reagierte mit einer eigenen, unendlich viel düstereren Gier darauf, die sie kaum noch zu beherrschen vermochte.
    »Ist alles in Ordnung. Miss?«, fragte Arthur.
    »Ja, natürlich«, versicherte Bast hastig. Sah man es ihr so deutlich an? »Ich … war nur ein wenig überrascht, das ist alles.«
    »Das ist das East End, Miss«, antwortete er. »Keine besonders gute

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