Anubis 02 - Horus
anderer war. Wahrscheinlich hatte Isis ihnen befohlen, sie unbehelligt ziehen zu lassen.
Kurz bevor sie das Ten Bells verließ, drehte sie sich noch einmal um. Isis betrachtete missmutig ihre Hand, die rot von ihrem eigenen Blut war, sah aber dann doch noch einmal in ihre Richtung, und ein angedeutetes Lächeln erschien in ihren Augen. Viel Glück, Schwester!
Bast wandte sich mit einem Ruck um und ging endgültig.
Als sie durch die Tür trat, sagte eine Stimme hinter ihr: »St. Paul’s Cathedral ist ziemlich weit entfernt von hier. Möchten Sie zu Fuß gehen, oder darf ich Ihnen vielleicht ein bequemeres Fortbewegungsmittel anbieten?«
Bast fuhr wütend herum und funkelte Abberline an. »Wo, zum Teufel, kommen Sie denn her?«
»Wie gesagt: die Segnungen der modernen Zeiten.« Abberline wies lächelnd auf die zweispännige schwarze Kutsche, mit der sie vorhin schon den Weg zur Pension zurückgelegt hatten. »Ich gebe ja gerne zu, dass ich noch nie einen Menschen gesehen habe, der so schnell laufen kann wie Sie, aber eine Kutsche ist allemal schneller, fürchte ich.«
»Ich hatte Sie gebeten, sich um Mrs Walsh und Jacob zu …«
»Dafür ist Sorge getragen«, unterbrach sie Abberline. »Ich habe zwei zuverlässige Männer dort gelassen, keine Angst. Sie sind verschwiegen.«
»Sie spionieren mir hinterher?« Basts Hand schloss sich so fest um den Schwertgriff an ihrem Gürtel, dass es wehtat. Sie musste aufpassen, dass sie ihren Zorn nicht an Abberline ausließ.
Wenn er ihren Ärger spürte, dann lieft er ihn an sich abprallen. »Es ist wirklich ein schönes Stück bis St. Paul’s Cathedral«, sagte er. »Mit dem Wagen wären Sie schneller dort. Sehr viel schneller.«
Bast war nahe daran, schon aus purem Trotz nein zu sagen – aber das wäre albern gewesen, und jetzt war nicht der Moment für Albernheiten. Noch immer verärgert, fuhr sie auf dem Absatz herum und ging zum Wagen. Abberline folgte ihr und wechselte ein paar halblaute Worte mit dem Fahrer, bevor auch er einstieg. Die zweispännige Droschke setzte sich in Bewegung, noch bevor er richtig Platz genommen hatte, und gewann rasch an Tempo.
»Ich muss gestehen, dass ich in den letzten Augenblicken ein wenig hin- und hergerissen war«, sagte Abberline. »Als Vertreter der Obrigkeit und Polizeibeamter hätte ich eigentlich einschreiten müssen, aber ein Teil von mir hätte sich fast gewünscht, dass Sie den Laden ganz auseinandernehmen.«
»Mir ist nicht nach Konversation, Inspektor«, sagte Bast grob.
»Wie Sie meinen.« Abberline zuckte betont gelassen die Schultern. »Dann lassen Sie uns über Fakten sprechen. Sie kennen St. Paul’s Cathedral?«
»Sollte ich?«
»Es wäre vielleicht von Vorteil, wenn Sie Ihren Freund tatsächlich dort vermuten«, antwortete Abberline. »Umso mehr, falls er sich wirklich dort versteckt.«
»Wieso?«
Abberline lachte. »Ich sehe, Sie haben wirklich keine Ahnung. St. Paul’s ist nicht einfach eine Kirche. Es ist eine Kathedrale. Die größte Kirche des Landes, und eines der größten Gebäude der Stadt. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen, dort nach einem Mann zu suchen, der nicht gefunden werden will. Wenn Sie mich fragen, sollten wir eine Hundertschaft Männer für die Suche anfordern, oder besser gleich zwei. Und selbst dann …«
»Das wird nicht nötig sein«, unterbrach ihn Bast. »Ich habe meine eigenen Möglichkeiten.«
»Das glaube ich Ihnen«, antwortete Abberline. »Was mir Sorgen bereitet, ist der Gedanke, dass Horus über dieselben Möglichkeiten verfügt.«
»Zerbrechen Sie sich nicht meinen Kopf, Inspektor«, sagte Bast unfreundlich. »Vielleicht bringen wir uns ja gegenseitig um, und Sie sind aller Sorgen ledig.«
Abberline seufzte. »Ich dachte, Sie hätten inzwischen begriffen, dass ich auf Ihrer Seite stehe, Bastet … oder bestehen Sie immer noch darauf, Sachmet genannt zu werden?«
Bast schwieg.
»Ich habe mich ein wenig informiert«, sagte Abberline. »Am Anfang gab es nur Bastet, die Göttin der Fruchtbarkeit und Liebe. Später gesellte sich Sachmet dazu, ihre – wie soll ich sagen – dunkle Schwester? Sie stand für alles, was Bastet nicht war. Hass. Gewalt, Unglück. Waren es wirklich zwei?«
»Nein«, antwortete Bast. »Das ist nur eine Legende. Sie sollten nicht alles glauben, was in Büchern steht, Inspektor.«
»Ich glaube schon seit langer Zeit nur noch das, was ich sehe«, antwortete Abberline. Er lächelte weiter, aber sein Blick wurde plötzlich sehr ernst. »Lassen
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