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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Trotzdem ließ ihr der Geruch das Wasser im Mund zusammenlaufen. Es hätte Mrs Walshs einladenden Nickens nicht einmal mehr bedurft, um sie auf dem einzigen freien Stuhl am Tisch Platz nehmen zu lassen.
    »Ah, da sind Sie ja schon, meine Liebe!« Mrs Walsh stand auf. »Dann werde ich jetzt das Essen holen. Ich weiß ja nicht, wie es mit euch ist, aber ich für meinen Teil sterbe vor Hunger.«
    Während sie sich herumdrehte und in die Küche enteilte, registrierte Maistowe Basts Eintreten erst jetzt, mit einiger Verspätung, und machte Anstalten, sich höflich zu erheben. Aber Bast winkte hastig ab, und Maistowe war perplex – oder auch müde – genug, um dieses Angebot anzunehmen und sich mitten in der Bewegung wieder zurücksinken zu lassen.
    »Ich bin froh, Sie unversehrt wiederzusehen, Bast«, begann er mit einem nervösen Lächeln und einem noch viel nervöseren Blick, mit dem er sie von Kopf bis Fuß musterte. Fast schon ein bisschen ängstlich. Seine Finger spielten nervös mit einem silbernen Zigarettenetui, aber Bast entdeckte weder einen Aschenbecher noch Streichhölzer, und ihr feiner Geruchssinn verriet ihr auch, dass seit dem gestrigen Abend hier drinnen nicht mehr geraucht worden war. Anscheinend war es gestern wirklich die große Ausnahme gewesen, und Bast nahm an, dass Mrs Walsh ihm den Kopf abreißen würde, wenn er versuchte, aus diesem Sonderfall eine Regel zu machen.
    »So schlimm war es nun auch wieder nicht«, sagte sie ausweichend. »Mrs Walsh hat vermutlich hoffnungslos übertrieben.«
    »Das habe ich gehört, meine Liebe«, hallte Mrs Walshs Stimme aus der Küche herüber. Bast machte ein ertapptes Gesicht, und Cleopatra ließ ein Geräusch hören, das sich fast wie ein spöttisches Lachen anhörte.
    Maistowe ging diskret über beides hinweg, nahm einen Zigarillo aus seinem Etui, drehte es ein paar Mal nervös in den Fingern und steckte es dann wieder zurück. Man hätte nicht über ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten verfügen müssen, um zu erkennen, dass ihm etwas auf der Seele brannte. Wahrscheinlich wollte er warten, bis Mrs Walsh zurück war, bevor er begann. Und da war noch etwas: Er sagte nichts mehr, aber sein Blick irrte vier- oder fünfmal zur Tür, und dieselbe Bewegung unterdrückte er mindestens noch einmal doppelt so oft.
    »Erwarten Sie jemanden, Kapitän?«, fragte sie schließlich.
    »Um ehrlich zu sein, ja«, antwortete er verlegen. »Ich fürchte nur, dass er nicht mehr kommt. Er ist schon mehr als eine Stunde über die Zeit, und normalerweise ist Abberline die Pünktlichkeit in Person.«
    »Über eine …«, begann Bast und brach dann erstaunt mitten im Satz ab, als ihr Blick auf die mannshohe Standuhr fiel.
    Es war nach elf. Sie konnte sich nicht nur nicht erinnern, wie sie hierhergekommen war … sie hatte mehr als zwölf Stunden geschlafen? Aber das war doch unmöglich!
    »Ich fürchte, er wird nicht mehr kommen«, seufzte Maistowe. »Das ist wirklich bedauerlich, aber ich bin sicher, er hat einen guten Grund dafür.«
    Bast starrte immer noch die Uhr an. Sie fühlte sich wie ins Gesicht geschlagen. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal zwölf Stunden ununterbrochen geschlafen hatte – oder ob überhaupt jemals. Was bei Ra hatten Horus und Sobek mit ihr gemacht?
    »Nun ja, er … ähm … wird seine guten Gründe haben«, sagte Maistowe noch einmal und räusperte sich unecht. Anscheinend deutete er ihr beharrliches Schweigen vollkommen falsch, aber Bast war nicht in der Stimmung, dieses Missverständnis aufzuklären. Zwölf Stunden? Zwölf Stunden!
    »Darf ich Ihnen eine vielleicht etwas persönliche Frage stellen?«, fuhr Maistowe unbehaglich fort.
    »Warum nicht?«, erwiderte Bast. »Solange Sie nicht erwarten, dass ich ehrlich antworte.«
    Maistowe blieb ernst, aber Bast war auch nicht sicher, dass er ihre Worte überhaupt gehört hatte. »Also, es geht mich nichts an, ich weiß, aber ich frage mich trotzdem seit gestern schon, warum Sie sich Ihr wunderschönes Haar abgeschnitten haben.«
    Bast sah ihn einfach nur stirnrunzelnd an, und hinter ihr sagte Mrs Walsh in tadelndem Tonfall: »Sie haben vollkommen recht, Jacob. Es geht Sie nichts an. Man fragt eine Dame nicht, warum sie ihr Aussehen verändert hat. Man sagt allerhöchstens, dass es einem gefällt.«
    »Ob es die Wahrheit ist oder nicht«, pflichtete ihr Bast bei. Sie stand auf, um Mrs Walsh zu helfen, die mit einem hoch beladenen Tablett aus der Küche kam, aber genau wie gestern

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