Anubis 02 - Horus
schätzen. Kapitän Maistowe«, sagte sie. »Aber ich fürchte, dass ich es ausschlagen muss.«
»Weil ich Ihnen nur zur Last fallen würde«, vermutete Maistowe säuerlich.
»Ich würde Sie nur in noch größere Gefahr bringen«, sagte Bast sanft, »und das kann ich nicht verantworten.« Maistowe wollte etwas sagen, doch Bast schüttelte rasch den Kopf und fuhr mit leicht erhobener Stimme fort: »Gestern Abend wären Sie fast getötet worden, und auch ich bin keineswegs unbesiegbar. Glauben Sie mir, es ist sicherer, wenn ich mich allein auf die Suche mache.«
»Ich verstehe«, sagte Maistowe. Er begann die Stelle an seinem Hinterkopf zu massieren, wo ihn gestern der Schlag getroffen hatte. »Und Sie müssten nicht nebenbei noch das Kindermädchen für mich spielen.«
»Jetzt stellen Sie sich nicht so mimosenhaft an, Jacob«, sagte Mrs Walsh spöttisch. »Ich nehme doch an, dass Sie nicht zum ersten Mal in Ihrem Leben verprügelt worden sind.«
»Das ist richtig«, seufzte Maistowe. »Aber es war das erste Mal, dass mich eine Frau gerettet hat. Gegen fünf Kerle.«
»Was mich zu der Frage bringt, ob es wirklich klug ist, sich ganz allein mit fünf Whitechapel-Schlägern anzulegen«, versetzte Mrs Walsh spitz. Aber im nächsten Moment wurde sie dafür umso ernster und sah Bast stirnrunzelnd an. »Sie haben vollkommen recht, meine Liebe, und ich hoffe zumindest, dass der gute Jacob aus seinem gestrigen Fehler etwas gelernt hat. Aber Tatsache ist, dass Sie seine Hilfe brauchen werden.«
»Wieso?«
Mrs Walsh tauschte einen raschen Blick mit Maistowe, bevor sie antwortete. »Sie mögen über eine Menge außergewöhnlicher Fähigkeiten verfügen, Bast, aber Sie kennen sich sicher nicht in Whitechapel aus.« Der Gedanke schien sie zu amüsieren.
»Was genau wollen Sie damit sagen?«, fragt Bast.
»Man redet bereits über Sie, mein Kind«, antwortete Mrs Walsh lächelnd. Sie deutete auf Maistowe. »Jacob hat sich ein wenig umgehört. Ich fürchte, bisher hat er noch nichts über Ihre Freundin in Erfahrung bringen können … aber dafür umso mehr über Sie.«
»Was genau meinen Sie damit?«, fragte Bast. Als ob sie das nicht wüsste.
»Nicht diese fünf Kerle, mit denen Sie zusammengestoßen sind, meine Liebe«, antwortete Mrs Walsh amüsiert, während sie Bast mit einem neuerlichen, noch spöttischeren Blick maß. »Man erzählt sich etwas von einem geheimnisvollen Fremden, der plötzlich aufgetaucht ist und die Kerle in die Flucht geschlagen haben soll. Sie würden niemals zugeben, dass eine Frau sie so zugerichtet hat …« Sie wurde übergangslos wieder ernst. »Aber man redet auch über Sie, meine Liebe.«
»Und … was?«, fragte Bast zögernd.
»Sie stellen Fragen, Bast«, antwortete Mrs Walsh. »Die Leute dort mögen es nicht, wenn man Fragen stellt. Und Sie stellen viele Fragen, und Sie stellen sie den falschen Leuten.«
Bast sagte nichts dazu, aber sie gestand sich im Stillen ein, dass Mrs Walsh recht hatte. Sie war nie sonderlich gut in solchen Din gen gewesen, und sie hatte sich auch jetzt nicht gerade geschickt angestellt.
»Sie sollten Jacobs Angebot annehmen«, fuhr Mrs Walsh fort. »Auch wenn er es in meiner Anwesenheit niemals zugeben würde, so kennt er sich in diesem Viertel doch ziemlich gut aus, und er kennt eine Menge Leute.« Sie warf Maistowe einen so zuckersüßen Blick zu, dass dieser hastig an seinem Zigarillo sog und eine dicke Rauchwolke paffte, hinter der sein Gesicht nahezu verschwand. »Er kann Ihnen helfen.«
Das Schlimme war, dachte Bast, dass sie vermutlich recht hatte. So, wie es aussah, würde sie Hilfe brauchen, und vermutlich waren Maistowe und Mrs Walsh sogar genau die Richtigen für diese Rolle. Aber statt ihr Angebot anzunehmen, schüttelte Bast nur abermals den Kopf, und ein Gefühl von Trauer überkam sie. Es wäre ihr Untergang. Nicht weil sie es wollte, oder weil Horus und Sobek außergewöhnlich grausam wären, sondern weil es immer so war. Im Krieg der Götter wurden Menschen zermalmt, selbst wenn es gnädige Götter waren.
»Es tut mir leid«, sagte sie sanft, »aber es geht nicht.«
»Ich glaube nicht, dass …«, begann Mrs Walsh, und Bast fiel ihr eine Spur schärfer und mit leicht veränderter Betonung ins Wort:
»Ich sagte: Nein. Und bitte verzeihen Sie mir.«
»Was?«, fragte Mrs Walsh.
»Das, was ich jetzt tun muss.« Sie ließ Mrs Walsh nicht einmal die Zeit, über diese Worte nachzudenken, sondern tat endlich das, was sie gleich hätte tun
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