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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Preussler zog die Augenbrauen hoch, aber sie schwieg dazu und wartete, bis Mogens ihr aus dem Mantel geholfen hatte, und nahm dann Platz. Ihr Blick glitt viel sagend über den unordentlich überladenen Tisch, aber zu Mogens’ Überraschung sagte sie auch dazu nichts.
    »Ihre Arbeit hier gefällt Ihnen also nicht«, sagte sie, wobei es ihr nicht ganz gelang, einen gewissen Unterton von Zufriedenheit aus ihrer Stimme zu verbannen.
    »Ja … ich meine, nein«, sagte Mogens irritiert. »Es ist nur … nicht das, was ich erwartet habe.«
    »Es ist dieser schreckliche Mensch, nicht wahr? Dieser Doktor Graves.« Miss Preussler beantwortete ihre eigene Frage mit einem Nicken, das keinen Widerspruch zuließ. »Nun, dann war es ja vielleicht ganz klug von mir, Ihr Zimmer noch nicht weiterzuvermieten.«
    Mogens brauchte eine ganze Sekunde, bis er begriff, was Miss Preussler überhaupt meinte. »Sie haben …?«
    »Aber ich wusste doch, dass Sie zurückkommen, mein lieber Professor«, antwortete Miss Preussler lächelnd. »Jemand von Ihrem gebildeten Wesen kann es unmöglich lange in der Gesellschaft eines solchen Unholds wie diesem Graves aushalten. Und dann diese Umgebung hier!« Sie ließ ihren Blick demonstrativ durch das Zimmer schweifen und schüttelte dann noch demonstrativer den Kopf. »Nein, das ist nichts für Sie. Ich habe gewusst, dass Sie zurückkommen. Allerdings«, fügte sie nach einer fast unmerklichen Pause hinzu, »hätte ich nicht gedacht, dass es so schnell gehen würde. Aber ich wusste, dass Sie zurückkommen.«
    So oft, wie sie diesen Punkt betonte, erwartete sie offenbar eine ganz bestimmte Reaktion von Mogens. Aber er blieb sie ihr schuldig, zumindest im ersten Moment.
    Mogens gestand sich ein, dass er noch gar nicht darüber nachgedacht hatte, wohin er von hier aus gehen wollte. Zurück nach Thompson? Allein die Vorstellung erfüllte ihn mit einem Entsetzen, das dem, das er bei dem Gedanken an Graves verspürte, kaum nachstand.
    »Sie kommen doch zurück?«, fragte Miss Preussler direkt, als er auch nach etlichen weiteren Sekunden noch nicht antwortete. »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, Professor. Ich habe mit dem Dekan gesprochen. Sie können Ihren Posten wieder antreten. Man wird Ihnen eine Woche Gehalt abziehen, aber das ist auch alles. Er war zuerst nicht besondersdavon angetan, das muss ich gestehen, aber es ist mir gelungen, ihn umzustimmen.« Sie lächelte verschmitzt. »Ich verfüge über gewisse Informationen über seine Schwiegertochter, von denen er offensichtlich nicht wollte, dass sie an die Öffentlichkeit gelangen.«
    Mogens schwieg weiter. Natürlich würde er nach Thompson zurückkehren. Er war noch nicht so weit, es sich selbst gegenüber einzugestehen, aber tief in sich hatte er längst begriffen, dass er genau dies tun würde. Er würde nach Thompson zurückgehen, er würde seinen verhassten Posten in einem fensterlosen winzigen Büro im Keller der Universität wieder antreten und wieder in das Zimmer mit dem brandfleckigen Boden in Miss Preusslers Pension einziehen, und sein Leben würde weitergehen, als wäre seine endlose Monotonie niemals unterbrochen worden. Die Vorstellung jagte ihm einen Schauder über den Rücken. Und dennoch wusste er, sein Entschluss, Graves zu begleiten, war nichts als ein letztes verzweifeltes Aufbegehren gewesen, sein allerletzter Versuch, dem zu entkommen, was aus seinem Leben geworden war, aber dieser Versuch war gescheitert, und er wusste, dass er die Kraft für einen weiteren derartigen Versuch nicht mehr aufbringen würde.
    »Ja«, flüsterte er, mehr zu sich, als an Miss Preussler gewandt. »Ich komme mit Ihnen zurück.«
    Miss Preussler strahlte. Bevor sie jedoch etwas sagen konnte, drang ein halblautes Miauen aus dem Korb, den sie neben der Tür abgesetzt hatte, gefolgt von einem ungeduldigen Kratzen.
    »Cleopatra.« Miss Preussler drehte erschrocken den Kopf. »Oh, ich dumme alte Frau. Die Ärmste ist jetzt seit Stunden in diesem Korb eingesperrt.«
    Sie wollte aufstehen, aber Mogens schüttelte rasch den Kopf und wandte sich zur Tür. »Bleiben Sie sitzen, Miss Preussler«, sagte er. »Ich mache das schon. Sicher muss sie raus. Wir wollen doch nicht, dass am Ende noch ein Unglück geschieht.«
    Miss Preussler schwieg dazu, und Mogens wurde zu spät klar, dass diese Worte vielleicht nicht besonders klug gewähltgewesen waren, mochten sie Miss Preussler doch an einen gewissen Zwischenfall erinnern, der im Zusammenhang mit Cleopatra

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