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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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meinetwegen zu Wilson laufen und ihm alles erzählen, oder sogar zu diesem Dummkopf Steffen. Es stört mich nicht. Jetzt nicht mehr.«
    »Vor ein paar Stunden noch hast du dich ganz anders angehört«, erinnerte ihn Mogens.
    »Da war mir noch nicht klar, wie nahe wir unserem Ziel sind«, sagte Graves, plötzlich erregt und anscheinend nicht mehr imstande, still zu stehen oder auch nur die Hände ruhig zu halten. »Tom ist mit seiner Arbeit fertig. Wir können binnen einer Stunde wieder hinuntergehen und unser Werk fortsetzen.«
    Mogens sah ihn beinahe fassungslos an. »Hast du mir gar nicht zugehört?«, fragte er. »Ich werde diesen verfluchten Ort nicht noch einmal betreten! Um keinen Preis.«
    Er trat demonstrativ einen Schritt zurück und straffte die Schultern. Graves starrte ihn mit ausdruckslosem Gesicht an, aber in seinen Augen begann wieder dieselbe lodernde Wut zu erwachen, mit der er Hyams und die beiden anderen zuvor gemustert hatte. »Du solltest dir das gut überlegen, Mogens«, sagte er kalt.
    Irgendetwas schien sich unter seinem Gesicht zu bewegen. Er … veränderte sich, auf eine unsichtbare, grauenerregende Weise, die es Mogens immer schwerer machte, ihn auch nur anzusehen, geschweige denn, seinem Blick standzuhalten.
    Dennoch fuhr er fort: »Ich habe es mir überlegt, Jonathan. Mein Entschluss steht fest. Ich werde von hier verschwinden, noch heute. Ich hätte erst gar nicht kommen sollen.«
    »Du elender Narr!«, zischte Graves. »Dann geh doch! Lauf zu den anderen, und beeil dich! Vielleicht haben sie noch Platz für dich in ihrem Wagen!«
    Mogens setzte zu einer Antwort an, aber es war ihm plötzlich nicht mehr möglich, Graves’ Blick weiter standzuhalten oder noch länger in dieses unheimliche, sich unentwegt weiter verändernde Gesicht zu sehen. Wozu auch? Graves gehörte nicht zu den Männern, die Argumenten zugänglich waren, wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatten.
    Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging zu seiner Unterkunft zurück, um seine Koffer zu packen.

Er brauchte nicht lange, um seine Kleider in den beiden abgewetzten Koffern zu verstauen, mit denen er gekommen war. Seine ohnehin bescheidene Habe war noch weiter zusammengeschmolzen; das gestern Nacht getragene Hemd und die Hose konnte er nur noch wegwerfen, und auch die Kleider, die er auf dem Friedhof getragen hatte, waren vermutlich nicht mehr zu retten. Mogens stopfte alles, was noch übrig war, unordentlich in den Koffer und wandte sich dann dem Regal zu, um die mitgebrachten Bücher auszusortieren.
    Die Tür ging auf, und Mogens spürte, wie jemand hereinkam und nach zwei schweren Schritten stehen blieb.
    »Nur keine Bange«, sagte er, ohne sich umzudrehen. »Ich nehme nur mit, was mir gehört. Deinen kostbaren Originalen wird nichts geschehen.«
    »Aber das weiß ich doch, mein lieber Professor«, sagte eine Stimme hinter ihm, die ganz eindeutig nicht Jonathan Graves gehörte. »Sie würden doch niemals etwas anrühren, das nicht Ihnen gehört.«
    Mogens fuhr herum und erstarrte für geschlagene fünf Sekunden mitten in der Bewegung. Er konnte selbst spüren, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich.
    »Miss Preussler?«
    »Es ist schön, dass Sie mich noch erkennen, nach all der Zeit«, sagte Miss Preussler spöttisch. Sie war es tatsächlich. Es war vollkommen unmöglich, ausgeschlossen und absolutlächerlich – Miss Preussler war zweieinhalbtausend Meilen weit weg, in einem Kaff am anderen Ende des Landes, und sie hatte Thompson zeit ihres Lebens nie verlassen! Aber sie war es! Sie stand zwei Schritte hinter der Tür, mit einem abgewetzten Koffer in der linken und einen kleinen Bastkorb in der rechten Hand, aus dem Mogens zwei orangerot glühende Augen entgegenstarrten.
    »Miss Preussler«, murmelte Mogens noch einmal.
    »Ja, das sagten Sie bereits«, erwiderte Miss Preussler und zog eine Schnute. »Ich sollte jetzt eigentlich böse sein, Professor. Ist das vielleicht eine Art, eine gute alte Freundin zu begrüßen?«
    Sie stellte den Bastkorb mit Cleopatra ab, ließ den Koffer, den sie in der anderen Hand trug, einfach fallen und breitete die Arme aus, als erwarte sie allen Ernstes, dass Mogens ihr vor Freude um den Hals fiel.
    Mogens rührte sich nicht von der Stelle. Das konnte er gar nicht.
    »Aber wo … ich meine: Wie kommen Sie denn hierher?«, stotterte er.
    Miss Preussler ließ enttäuscht die Arme sinken. Eine Sekunde lang verlor sie die Kontrolle über ihre Physiognomie; sie sah

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